Medienminister Andreas Babler (SPÖ) hat zuletzt Reformen bei der Medienförderung angekündigt, bei denen „kein Stein auf dem anderen“ bleiben dürfe. Er öffnet damit ein Zeitfenster. Denn in allen drei Regierungsparteien gibt es Entscheidungsträger, die die Bedeutung und Sensibilität des Themas erkannt haben. Gelingen könnte eine große Reform im Schulterschluss zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Die zivilgesellschaftliche Initiative „Acht Tische für die vierte Gewalt“ hat vergangene Woche Fachleute, Stakeholder und Politikerinnen wie Politiker zusammengerufen. Die Tagung könnte der Auftakt zu einer gemeinsamen Anstrengung sein.

Worum geht es? Die Demokratie ist in Österreich genauso gefährdet wie in den meisten anderen verbliebenen demokratischen Staaten der Welt. Jahr für Jahr nimmt die Zahl der Demokratien ab. Fragen wie Resilienz und Institutionenstärkung gewinnen an Bedeutung. Der demokratische Rechtsstaat baut auf der Gewaltenteilung auf. Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit kontrollieren einander wechselseitig. Dieses System der Checks and Balances soll dafür sorgen, dass niemand allein so viel Macht erlangt, das demokratische System zu zerstören.
Medien üben eine so wichtige Informations- und Kontrollfunktion (Public Watchdog) aus, dass man sie meist als vierte Gewalt zu den Staatsgewalten zählt. Nicht umsonst richten autoritäre Regime ihre ersten Angriffe nicht nur gegen die Justiz, sondern auch gegen unabhängige Medien. Für Medien gilt freilich dasselbe wie für die anderen Staatsgewalten: Sie brauchen staatlichen Schutz, ihre Förderung wiederum bedarf klarer Regelungen.
Klassische Grundlage
Der jüngste Stellenabbau bei mehreren Medienhäusern unterstreicht die Krise der Medienszene und den Handlungsbedarf für die Politik. In Österreich erhalten Medien zwar auf unterschiedlichen Wegen höhere Millionenbeträge jährlich. Dennoch könnte die Medienlandschaft vielfältiger sein; es gibt wenig regionalen Journalismus; der Transformationsprozess zu digitalen Formaten hin verläuft langsam. Die Politik hat ein System wachsen lassen, in dem der überwiegende Teil der öffentlichen Mittel nicht in Form der Förderung von Qualität auf Basis bestimmter Kriterien zugeteilt wird, sondern im Wege recht frei vergebener Inserate öffentlicher Stellen (Stichwort „Regierungsinserate“).
Folge ist eine wechselseitige Abhängigkeit von Politik und Medien, die, neben allem anderen, für beide Seiten unwürdig ist: Die Politik kauft sich das Wohlwollen von Medien. Abhängigkeit ist eine klassische Grundlage für Machtmissbrauch und Korrumpierbarkeit. Wer im schlechten System nicht mitspielt, den versucht man zu beschädigen.
Qualität und Vielfalt
Zusammengefasst bleibt: Österreich investiert seit Jahren viel Geld in Medien; die aufgewendeten Mittel schaffen aber zu wenig Qualität und Vielfalt, sie sichern nicht einmal die Existenz von Qualitätsmedien. Eine im November vorgestellte Studie zeigt zudem: Nur eine Minderheit der Bevölkerung vertraut den meisten Medien, eine Mehrheit wünscht sich Maßnahmen zur Stärkung der Medienunabhängigkeit.
Die aktuelle Regierung hat die Inserate der Bundesministerien radikal zurückgefahren. Im ersten Halbjahr floss deutlich weniger Geld als im ersten Halbjahr 2024; einzelne Ministerien wie das Finanzministerium reduzierten Inserate um mehr als 90 Prozent. So sinnvoll das ist, es ersetzt Gesetzesanpassungen nicht, denn eine spätere Regierung könnte die Inseratenausgaben sofort wieder hochfahren. Demokratiepolitisch zweckmäßig wäre eine gesetzliche Begrenzung von Regierungsinseraten auf niedrigem Niveau und die Umleitung der Gelder in eine Medienförderung, die Vielfalt und Qualität zum Ziel hat und die Transformation zu den neuen digitalen Formaten und Start-ups unterstützt.
Eine bunte Landschaft kritischer, kleiner und großer Onlinemedien, Newsfluencer, Podcasts und Rechercheplattformen wird für die Stabilität der Demokratie künftig eine Schlüsselrolle spielen. Daneben muss im Blick bleiben, dass ein starker und von der Regierung unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für die Demokratie unabdingbar ist.
Damit ist das eine Aufgabenfeld der Regierung umrissen. Dazu kommt aber eine zweite Ebene: Für die Willensbildung der Bevölkerung spielen Social Media eine immer größere Rolle. Kampagnen auf Twitter, Tiktok oder Instagram haben das Potenzial, das Wahlverhalten der Bevölkerung entscheidend zu beeinflussen. Eine politische Agenda eines Plattformbetreibers in Verbindung mit dem Einsatz von Algorithmen schafft neue Möglichkeiten der breiten, gezielten Desinformation und der Zerstörung des demokratischen Systems. Der Einsatz von Algorithmen und das Betreiben von Social-Media-Plattformen bedürfen klarer gesetzlicher Vorgaben. Da derzeit hochmonopolisierte, weltweit agierende Plattformen dominieren, muss die Schaffung europäischer Plattformen ein weiteres Ziel sein; der Medienminister hat kürzlich eine entsprechende Initiative auf EU-Ebene eingebracht.
Wenig Zeit
Reform der Medienförderung, Regulierung von Social-Media-Plattformen und des Einsatzes von Algorithmen: Für die Regierung verbleibt wenig Zeit, hier eine grundlegende Neuordnung zur Sicherung der Demokratie in Österreich zu schaffen. „Geborgte Zeit“ nennt die Politologin Maria Mayrhofer in einem gleichnamigen Essay diese wenige Zeit, jene Atempause, die Österreich durch die Bildung der Dreierkoalition im März 2025 erhalten hat. Sie gehört genutzt. (Oliver Scheiber, 18.11.2025)
