Grenzziehungen

Rund um den Burschenschafter-Ball in der Wiener Hofburg gab es einen einzigen Verletzten, den prominenten früheren SPÖ-Bundesrat Albrecht Konecny. Wie die Wiener Zeitung berichtet, deutet vieles darauf hin, dass der Täter aus der Neonazi-Szene stammt. Die Eskalation rund um den Ball ist letztlich Ergebnis des Versagens der großen gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere der Regierungsparteien, aber auch der Medien. Sowohl die Wahl des dritten Nationalratspräsidenten als auch die scharenweise Einladung von Personen mit rechtsextremem Gedankengut in die Diskussionssendungen des ORF unterhöhlen das Fundament der Demokratie. Die Öffnung der Prunkräume des Staates für die extreme Rechte ist sichtbares Symbol fehlender Abgrenzungen. Notwendig sind klare Worte, wie sie zuletzt Alexandra Föderl-Schmid und Roman Müller-Balač fanden – wohl nicht zufällig zwei Autoren, die längere Zeit im Ausland verbracht haben und so über einen geschärften Blick auf die hiesigen Verhältnisse verfügen.

Albrecht Konecny

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liquid democracy

Das System der repräsentativen Demokratie durchläuft im Moment eine Schwächephase. Neue Modelle politischer Beteiligung wie liquid democracy könnten Belebung bringen. Es handelt sich bei liquid democracy um Projekte der Mitbestimmung, die im Internet laufen. Einzelne Gedanken dieses Modells könnten wohl auch aus dem Netz gelöst werden – etwa die Möglichkeit, anderen (ExpertInnen) zu einem bestimmten Thema für unbestimmte Zeit die eigene Stimme zu übertragen (Delegation). Gerade die innere Demokratie in geschlossenen Systemen wie Kammern, Unternehmen oder politischen Parteien könnte so Impulse erhalten. Derzeit erproben etwa die deutsche Piratenpartei (als liquid feedback) und die SPD-Bundestagsfraktion (via adhocracy) liquid democracy-Modelle. In Österreich beschäftigen sich etwa die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger und der Softwareentwickler Markus Stoff mit der Materie.
     
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Serbischer Ball in Wien

Serbisch ist in Wien die zweithäufigste Umgangssprache, die Verbindung Österreichs mit Serbien ist wechselvoll und Jahrhunderte alt. Vergangenen Samstag fand der traditionelle Svetosavski Bal als serbisch-österreichischer Ball in völlig neuem, großem Rahmen statt: die österreichisch-serbische Gesellschaft mit ihrem engagierten, weltoffenen Präsidenten Dr. Marko Stijaković organisierte eines der ausgelassensten und entspanntesten Feste der Wiener Ballsaison. Das eben erst großzügig renovierte Parkhotel Schönbrunn bot einen prächtigen Rahmen: im Hauptsaal wurde klassisches Wiener Ballambiente geboten, in der Bijou Bar nebenan gab es moderne Balkanbeats und in der coolen Hotelbar zur Hietzinger Hauptstrasse hin legten DJs bis früh morgens auf. Die Liste der Gäste war lang, als Überraschungsgast trat die Siegerin des Eurovisions Song Contest von 2007, Marija Šerifović, live auf. Im Publikum: ex-Juventus-Star Vladimir Jugović.
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Das unterschätzte Parlament

Das Europäische Parlament gerät all zu oft im Zusammenhang mit Spesen und Gehältern seiner Abgeordneten in die Schlagzeilen. Das ist ungerecht – tatsächlich leisten die europäischen Abgeordneten ganz überwiegend hervorragende Arbeit. Unter den Abgeordneten besteht ein Wettstreit bei der Qualität ihrer Berichte, die Diskussionen im Plenum sind lebhaft, Hearings für neue Kommissare eine Herausforderung. Regelmäßig fordert das Parlament gegenüber Rat und Kommission soziale und liberale Grundrechte ein und sorgt dafür, dass sich die Union nicht von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt.

Während etwa im österreichischen
Parlament nur die Gesetze abgenickt werden, die in den einzelnen
Ministerien vorbereitet werden, findet im Europäischen Parlament echte
legistische Arbeit statt. Zu jedem Gesetzesentwurf der Kommission
erstatten Abgeordnete umfassende Berichte und eine Vielzahl von
Abänderungsanträgen. Das Parlament verfügt auch über einen eigenen
Rechtsdienst, der Qualität sichert. Trotz aller Unkenrufe ist die Rolle
des Parlaments rundum positiv zu bewerten – die Einrichtung kann, was
Diskussionskultur und Qualität der Gesetzgebung betrifft, vielen
nationalen Volksvertretungen als Vorbild dienen. Umso mehr Respekt
verdienen die österreichischen Abgeordneten Hannes Swoboda und Othmar Karas,
deren langjährige konsequente Parlamentsarbeit in Brüssel und
Straßburg dieser Tage höchste Anerkennung erfahren hat: Swoboda ist
neuer Fraktionschef der Progressiven Allianz der Sozialisten und
Demokraten im Europäischen Parlament (S&D), also der europäischen
Linken, Karas wurde zu einem der Vizepräsidenten des Europäischen
Parlaments gewählt. Es wäre kein Schaden, würde man den Einschätzungen
der beiden Parlamentarier in Österreich öfter Gehör schenken.

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Zugang zum Recht: Amtstag und neue Familiengerichtshilfe

Der Amtstag bildet ein Spezifikum der österreichischen Rechtsordnung. Zumindest ein Mal wöchentlich (zumeist dienstags vormittag) besteht bei allen Bezirksgerichten die Möglichkeit, direkt bei Richterinnen und Richtern Rechtsauskünfte zu anhängigen Verfahren oder zu beabsichtigten rechtlichen Schritten einzuholen. Einfache Klagen und Anträge können sofort zu Protokoll genommen werden.

Während in vielen anderen europäischen Ländern kaum Gelegenheit besteht, mit Richterinnen und Richtern außerhalb der Verhandlung in Kontakt zu treten, bietet Österreichs Justiz mit dem Amtstag einen kostenfreien, einfachen Weg zum Recht. Für viele Menschen bedeutet das Aufsuchen eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin eine nicht unerhebliche finanzielle und psychologische Barriere. Der Amtstag dagegen ist eine gewachsene, in der breiten Bevölkerung bekannte und gut angenommene Einrichtung, die gleichzeitig dafür sorgt, dass die Justiz ihr Ohr an der Bevölkerung behält und BürgerInnennähe kein Schlagwort bleibt. Gut also, dass Bestrebungen zur Einschränkung des Amtstags vor zwei Jahren gescheitert sind. Was den Zugang zum Recht betrifft, könnte die gerade als Pilotversuch gestartete Familiengerichtshilfe einen Qualitätsschub bringen – Familienrechtsverfahren könnten schneller, rascher, einfacher werden.

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