Polizeibeamte klagen Purple Sheep

(Dieser Text erschien leicht gekürzt in der Printausgabe der Salzburger Nachrichten vom 6.3.2012)

TV für Polizei „zu nahe“ dran

Die Klage von Polizeibeamten gegen den Verein Purple Sheep, der von
Abschiebung bedrohte Menschen in Wien betreut, macht stutzig. Laut
Medienberichten (SN vom 4.2.2012) haben zwei Polizeibeamte den Verein geklagt,
weil sie bei einem Abschiebeversuch gefilmt wurden. Ein georgisches Ehepaar
sollte mit seiner schwer behinderten Tochter nach Litauen abgeschoben werden.
Als die Fremdenpolizei im Flüchtlingsquartier eintraf, um die Familie zur
Abschiebung abzuholen, filmte der Verein Purple Sheep die versuchte Abholung,
der ORF strahlte die Bilder aus. Die Abschiebung wurde abgebrochen und die
Familie erhielt laut Medienberichten mittlerweile eine
Niederlassungsbewilligung.

Die Polizei definiert ihre Rolle in den letzten Jahren verstärkt als
Menschenrechtsschutzorganisation und investiert sehr viel in diesbezügliche Aus-
und Fortbildungsmaßnahmen. Diese Bemühungen tragen Früchte, denn das Auftreten
von PolizeibeamtInnen im Alltag ist umsichtiger und professioneller geworden.
Die frühere Unsitte, dass Menschen, die Polizeiübergriffe behaupten, mit
Anzeigen wegen Verleumdung und Klagen eingedeckt werden, wurde nach Rügen
internationaler Organisationen abgestellt. Die aktuellen Klagen gegen Purple
Sheep konterkarieren nun all diese Bemühungen; sie sind ein Mittel, das einem
Rechtsstaat schlecht anstehen. Der Staat verfügt über viel Macht, bei
Abschiebungen bringt er Menschen auch mittels körperlicher Gewalt ins Ausland –
diese Machtfülle verlangt, dass der Staat Kritik am Handeln seiner Organe
aushält und seine Macht mit größter Behutsamkeit ausübt.
Dem durch die Klagen in seiner Existenz bedrohten Verein hilft es
wenig, wenn sich das Innenministerium formal nicht an der Klagsführung
beteiligt. Natürlich haben Beamte Persönlichkeits- und Grundrechte, die zu
wahren sind. Beamte sind aber auch den Interessen und dem Ansehen ihres
Dienstgebers verpflichtet, und diese Interessen leiden unter der Klagsführung,
die angesichts der Umstände unverhältnismäßig und unangemessen ist: Familien,
die ein Kind mit Behinderung betreuen, haben es nicht leicht. Menschen, die
ihre Familien und ihre gewohnte Umgebung verlassen und in ein fremdes Land
flüchten, handeln in aller Regel aus Verzweiflung. Wenn also ein Paar mit einem
behinderten Kind nach seiner Flucht 
abgeschoben werden soll, dann ist diese Situation eine so furchtbare,
dass sie wohl die wenigsten von uns wirklich nachvollziehen können. Vereine wie
Caritas, Diakonie oder Purple Sheep, die sich solcher Personen annehmen, verdienen
also vor allem Respekt. Sie springen für den Staat ein, dessen Aufgabe es wäre,
dafür zu sorgen, dass niemand im Land auf der Straße steht und dafür, dass
dringend notwendige soziale und gesundheitsbezogene Leistungen sichergestellt
sind.  
Österreich hat sich beim Vollzug von Abschiebungen zuletzt mehrfach
rechtlich „geirrt“ – schon laufende Abschiebungen wurden vom Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Sekunde mittels Eilverfügung
gestoppt. Auch im gegenständlichen Fall war offenbar die betroffene Familie im
Recht, hat sie doch letztlich die Niederlassungsbewilligung erhalten. Im
Ergebnis waren die Fernsehbilder notwendig, um der Familie zu ihrem Recht zu
verhelfen. Unter diesem Aspekt erscheint die nunmehrige Klagsführung als zynischer
Revancheakt (dass die Gewerkschaft eine solche Klagsführung noch unterstützt,
würde eine gesonderte Erörterung verdienen).
Dringend geboten wäre im vorliegenden Einzelfall eine klare
Distanzierung des Innenministeriums von der Klagsführung, die nicht anders denn
als Einschüchterungsversuch gegenüber NGOs verstanden werden kann. Darüber
hinaus sollte der Fall Anlass sein, endlich das Erfordernis einer richterlichen
Genehmigung von allen Fällen der Schubhaft und der Abschiebung im Gesetz zu
verankern. Amtshandlungen wie die gegenständliche, die alle Beteiligten
überfordern, könnten so für die Zukunft vermieden werden.
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