„Förderung der Zivilcourage gerichtlicher Organe auf allen Ebenen“ – Zeitgeschichte und Richterausbildung

Beitrag erschienen in der Festschrift für Winfried R. Garscha
(Zeithistoriker – Archivar – Aufklärer. Festschrift für Winfried R. Garscha, hrsg. v. Claudia
Kuretsidis-Haider und Christine Schindler im Auftrag des Dokumentationsarchivs des österreichischen
Widerstandes und der Zentralen österreichischen Foschungsstelle Nachkriegsjustiz, Wien 2017; bestellen)
Förderung der Zivilcourage gerichtlicher Organe auf allen Ebenen“ – Zeitgeschichte und Richterausbildung

Oliver Scheiber

Dieser Beitrag soll, dem Charakter einer
Festschrift entsprechend, die Leistungen Winfried R. Garschas würdigen. Bei der
thematischen Ausrichtung des Beitrags war die Überlegung ausschlaggebend, wofür
die Justiz Winfried Garscha am meisten Dank schuldet. Die Auswahl war nicht
einfach, denn Winfried Garscha stützt mehrere für die Justiz wichtige Projekte.
Da ist einmal die 1998 gegründete Zentrale österreichische Forschungsstelle
Nachkriegsjustiz zu nennen. Die Forschungsstelle steht für das Bekenntnis und
Bemühen der Justiz, die Vergangenheit aufzuarbeiten und sich ihr zu stellen.
Dasselbe gilt für die Mitwirkung Winfried Garschas an einer großen Zahl
zeitgeschichtlicher Veranstaltungen im Justizrahmen, viele davon innerhalb der
Reihe „Justiz und Zeitgeschichte“.
[1] Auch
die Nachstellung von historischen Gerichtsverfahren zählt dazu. Ein weiterer
wichtiger Bereich ist die Unterstützung Winfried Garschas bei der Suche nach
den letzten lebenden NS-Kriegsverbrechern. Hier muss die Justiz mit dem Vorwurf
leben, das Engagement und die Kompetenz von Winfried Garscha und seiner
KollegInnen nicht genutzt, ja gebremst zu haben. Der vierte große Bereich, in
dem Winfried Garscha für die Justiz Wichtiges geleistet hat, ist die
Grundausbildung der Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte. Da es sich hier um das am stärksten in die Zukunft weisende Feld
handelt, soll sich der nachfolgende Text damit beschäftigen. Denn es entspricht
dem Charakter des Jubilars, dass all seine Aktivitäten darauf hinauslaufen,
Zustände und Lebensverhältnisse zum Besseren zu verändern. Die Durchsicht der
Publikationen und Lehraufträge Winfried Garschas zeigt die fachliche Kompetenz und
Einbettung W. Garschas in die Wissenschaft. Zentrales Anliegen war dem Jubilar
wohl immer die Mitwirkung an möglichst vielen Projekten, die die Gesellschaft sensibilisieren,
informieren und verändern. Ich durfte mit Winfried Garscha in den letzten
Jahren vor allem im Bereich der Justizausbildung zusammenarbeiten, aber auch
bei Veranstaltungen und bei der Suche nach noch lebenden Kriegsverbrechern. Das
war auf der persönlichen wie fachlichen Ebene gleichermaßen gewinnbringend und
ich habe großen Respekt vor dem Qualitätsanspruch, den sich Winfried Garscha
bei allen Aktivitäten setzt und einhält. Dass er menschlich so geradlinig und
geerdet ist, dass er mit zunehmendem Alter nichts an Kreativität und
innovativer Energie einbüßt, unterscheidet Winfried Garscha von Anderen ebenso
wie sein feiner Humor.

1. Von der Auseinandersetzung
Bronner-Broda bis zum Fall Aula

Wie Deutschland stand auch Österreich
1945 vor dem Problem, das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung
sicherzustellen und gleichzeitig die aus der Zeit des Nationalsozialismus
schwer belasteten Personen von staatlichen Funktionen fernzuhalten. Dieses
Bemühen ist, wie sich heute sagen lässt, unzureichend gelungen. Erst vor
wenigen Jahren trat etwa ins Bewusstsein, dass der frühere Justizminister Otto
Tschadek
[2] sich
in der NS-Zeit einen Namen als Blutrichter gemacht hatte. Erst der derzeitige
Justizminister Brandstetter setzte dem Portrait Tschadeks in der Ahnengalerie
des Justizministeriums einen erklärenden Text bei
[3] – mehr
als 50 Jahre hatte das Bild dort unkommentiert seinen Ehrenplatz.
Bereits
in den 1960er-Jahren deckte der junge Journalist und spätere profil- und
Standard-Gründer Oscar Bronner auf, dass zahlreiche schwer belastete NS-Richter
nach wie vor Dienst in der Justiz der Zweiten Republik taten.
[4] Es
waren in erster Linie Strafrichter, die in den 1960er-Jahren weiterhin ihren
Dienst auf allen Ebenen der Justiz taten, aber auch leitende Beamte des
Justizministeriums. Bronner stellte einige dieser Personen in der Zeitschrift
forum namentlich vor, er führte ihre Verbrechen in der NS-Zeit und ihre
aktuelle Stellung in der Justiz an und forderte die Außerdienststellung der
Betroffenen. Der damalige Justizminister Broda replizierte in derselben Zeitschrift
und hielt an seiner generellen Haltung, man müsse bezüglich der NS-Vergangenheit
einen Schlussstrich ziehen, fest.
[5]
Während Deutschland in den 1960er-Jahren eine Lösung dahingehend fand,
belastete Richter frühzeitig zu pensionieren, verblieben belastete Richter in
Österreich im Dienst.
[6] Sie
prägten mit ihrer autoritären und menschenverachtenden Haltung die Strafjustiz
sehr lange, die Nachwirkungen dieses Weltbilds waren vor allem an den
Strafgerichten bis in die 1990er-Jahre spürbar. Nazi-Rülpser von Richtern waren
keine Seltenheit. Einer der maßgeblichen NS-Verbrecher Österreichs, Heinrich
Gross, konnte bis in die 1990er-Jahre als meistbeschäftigter Gerichtspsychiater
Österreichs im Wiener Straflandesgericht ein- und ausgehen.
Die Biographie des Heinrich Gross
war damals schon bekannt. Gross hatte im Nationalsozialismus am vielfachen Mord
an Kindern am Spiegelgrund in Wien mitgewirkt.
[7] Den vom ihm getöteten Kindern
entnahm er die Gehirne und baute auf dieser Gehirnsammlung seine Karriere in
der Nachkriegsmedizin und Nachkriegsjustiz auf. Er wurde Mitglied von BSA und
SPÖ, erhielt ein Boltzmann-Institut, das Goldene Verdienstzeichen der Republik,
wurde meistbeschäftigter Gerichtspsychiater des Landes und brachte in den
1970er-Jahren Friedrich Zawrel für Jahre mittels eines böswilligen Tricks ins
Gefängnis. Denselben Zawrel hatte der NS-Arzt Gross als Kind unter den Nazis
gefoltert.
Es ist nur mit einer autoritären Sozialisierung zu
erklären, dass eine jüngere Richtergeneration diesem unwürdigen Spektakel nicht
schon in den 1980er-Jahren ein Ende machte. Es bedurfte der ausdrücklichen
Weisung des damaligen Justizministers Michalek Ende der 1990er-Jahre, damit es
endlich zu einer Anklage gegen Gross kam – ein Zivilgericht hatte rund 15 Jahre
davor festgestellt, dass Gross ein Mörder war. Kurz gesagt, die Justiz war ein
Spiegelbild der österreichischen Nachkriegsgesellschaft. Der Einfluss der
früheren Nationalsozialisten wirkte weiter, die NS-Zeit war lange tabu. So
erwähnt die Österreichische Richtervereinigung in ihren Statuten die Zeit des
Nationalsozialismus (bis heute) mit keinem Wort. Erst die im Jahr 2005
gegründete Fachgruppe Grundrechte der Vereinigung, also eine Untersektion,  setzt sich in ihren Statuten mit dem
Nationalsozialismus auseinander. Dort
[8] heißt
es ua:
Die Arbeit der Fachgruppe erfolgt
wesentlich aus der Verantwortung, die sich für die österreichische Justiz aus
den Erfahrungen des Nationalsozialismus ergibt, insbesondere aus der
Erkenntnis, dass der Justizapparat die Verbrechen des Nationalsozialismus
gedeckt, ermöglicht und befördert hat. Ziel der Fachgruppe ist die
Verhinderung des Entstehens jedweder autoritärer Staatsform sowie das
Aufzeigen von autoritären Entwicklungen und Gefahren für den demokratischen
Rechtsstaat, sei es innerhalb oder außerhalb der Justiz. Dieses Ziel erfordert
insbesondere die Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit und die
Förderung der Zivilcourage gerichtlicher Organe auf allen Ebenen.

In den letzten zwanzig Jahren hat
sich Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus verändert. Später als
andere Institutionen hat sich die Justiz der notwendigen Auseinandersetzung mit
dem Thema gestellt. Vor allem die Justizminister Broda, Michalek, Berger und
Brandstetter organisierten Symposien und Seminare unter dem Titel „Justiz und
Zeitgeschichte“. Der schon erwähnte Friedrich Zawrel trat vor rund fünfzehn
Jahren erstmals als Vortragender für die Justiz auf; er hat diese Funktion bis
zu seinem Tod im Jahr 2015 ausgeübt
[9] – unter anderem in einem seit 2009 bestehenden
zeitgeschichtlichen Ausbildungsmodul der Justiz, dem Curriculum
Justizgeschichte.
[10] Es geschah also vieles, um
innerhalb der Justiz eine Sensibilität und ein Bewusstsein für die Geschichte
zu entwickeln und darüber hinaus einen neuen Umgang mit Menschen vor Gericht
und in Haftanstalten zu entwickeln.
Diese Initiativen haben die Justiz
positiv verändert. Auch für KennerInnen der Justiz war es daher gleichermaßen
schocki
erend wie überraschend, als Anfang 2016 der so
genannte Fall Aula bekannt wurde. In einem Text der Zeitschrift
„Aula“ waren
KZ-Häftlinge als „Massenmörder“ und „Landplage“ bezeichnet worden. Die Grazer
Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit der Begründung ein, es sei
„nachvollziehbar“, dass die 1945 befreiten Häftlinge aus dem KZ Mauthausen eine
„Belästigung“ für die Bevölkerung darstellten. Außerdem hätten sich unter den
KZ-Häftlingen „Rechtsbrecher“ befunden.

2. Herausforderungen für die
Richterausbildung
Der Fall Aula zeigt, dass die
vielfältigen Bemühungen des Ausbildungssystems der Justiz noch lange nicht am
Ziel sind; und er machte deutlich, dass zeitgeschichtliche Seminare in der
Grundausbildung der Justiz notwendig sind – das Wissen um die NS-Verbrechensmaschinerie
ist nach Schule und Universität nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden. Die
Reaktion des Justizministeriums auf das Aula-Verfahren zeigte freilich auch die
positiven Veränderungen auf: der zuständige Sektionschef im Justizministerium
bezeichnete die Einstellungsbegründung als „grobe Fehlleistung“ und sprach von
einer „unsäglichen Diktion.“ Die Begründung sei „unfassbar und in sich
menschenverachtend.“
[11] Diese klare, öffentliche Schelte war für die
Justiz ein Novum. Nur wenige Wochen nach dem Bekanntwerden des Falls ordnete
Justizminister Brandstetter ein verpflichtendes zeitgeschichtliches Training
für alle künftigen RichterInnen und StaatsanwältInnen an. Es wurde eine
interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus JuristInnen und führenden HistorikerInnen
eingesetzt, die nach kurzen Beratungen zum Ergebnis kam, das bereits seit 2009 bestehende
Curriculum zu adaptieren und als obligatorischen Teil der Grundausbildung der
Justiz ab 2017 zu implemetieren. Vor der näheren Darstellung der Umsetzung
scheint ein Blick auf das Ausbildungssystem der Justiz zweckmäßig.
[12]
In
Österreich gibt es eine gemeinsame Ausbildung für Richterinnen und Richter und
Staatsanwältinnen und Staatsanwälten.
[13] Der
Wechsel zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht ist im Laufe des Berufslebens jederzeit
möglich. Die Grundausbildung dauert, einschließlich der so genannten
Gerichtspraxis, vier Jahre. Die RichteramtsanwärterInnen werden in dieser Zeit
verschiedenen Ausbildungsstationen (Gerichten, Staatsanwaltschaften, RechtsanwältInnen,
Justizanstalten, Opferschutzeinrichtungen) zugeteilt. Ergänzend zu diesem
training on the job gibt es laufende und in Blockform organisierte Kurse. Diese
Kurse haben überwiegend juristische Kernfächer zum Thema, es gibt aber auch
einzelne Seminare zu Themen wie „Recht und Sprache“ oder
Antirassismustrainings. Die vierjährige Ausbildung schließt mit der
Richteramtsprüfung ab.
Organisatorisch
geschieht die Aus- und Fortbildung der Richterinnen und Richter bzw
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in einem Zusammenspiel von
Justizministerium, Richtervereinigung und den vier Oberlandesgerichten in Wien,
Linz, Graz und Innsbruck. Bis in die 1990er-Jahre wurde die gesamte Aus- und
Fortbildung nahezu ausschließlich von Richterinnen und Richtern gestaltet. Erst
in den 1990er-Jahren erfolgte auf Betreiben der damals zuständigen Abteilungsleiterin
des Justizministeriums Constanze Kren die Öffnung zu externen Vortragenden.
Heute ist die Einbindung externer ExpertInnen zum selbstverständlichen Standard
geworden. Was das quantitative und qualitative Fortbildungsangebot betrifft, so
ist Österreichs System im internationalen Vergleich herzeigbar. Ein klares
Defizit und Erschwernis zur Herausbildung insbesondere didaktischer Standards
liegt im Fehlen einer zentralen Ausbildungsakademie, wie sie nahezu alle
EU-Staaten kennen. Dieses Manko erschwert die Bündelung von Kompetenzen und die
Entwicklung didaktischer Standards,
interdisziplinärer
Ausbildungsmodule und
einheitlicher Strategien in der Aus- und Fortbildung.
An einer zentralen Akademie liessen sich Kurse in Zusammenarbeit
mit Hochschulen, Polizeiakademien und anderen staatlichen und nichtstaatlichen
Einrichtungen sowie der Austausch mit anderen Disziplinen (Medizin, Soziologie,
Sprachwissenschaft, Kommunikationswissenschaft) einfacher umsetzen.
[14]
Die
Aus- und Fortbildung der Justiz ist in den vergangenen zehn Jahren zu einem
wichtigen Bereich der europäischen Justizpolitik geworden. Sowohl der Europarat
als auch die Europäische Union beschäftigen sich in enger Zusammenarbeit mit
der Ausbildung der Richterschaft.
[15] Dabei
ist es auf europäischer Ebene Konsens, dass die juristisch-technische
Ausbildung an den Universitäten stattfindet, sodass die Grundausbildung der
Justiz einen Schwerpunkt auf die Persönlichkeitsbildung und den Erwerb
wichtigen Wissens aus Nachbardisziplinen zu legen hat. Grundkenntnisse aus
Medizin, Psychologie oder Soziologie sind für RichterInnen unabdingbar. Auf
europäischer Ebene wird danach gestrebt,
dass RichterInnen und StaatsanwältInnen menschengerecht
agieren; eine ihrer zentralen Fähigkeiten muss jene zum Zuhören sein.
Die
traditionsreiche französische
Richterakademie Ecole Nationale de la Magistrature (ENM)[16] etwa
bekennt sich zu einem
neuen Humanismus, dem die moderne Justiz verpflichtet sei.
Justiza
kademien
jüngerer Demokratien wie etwa jene Rumäniens folgen einem ähnlichen Ansatz.[17] Zudem gibt es einen Trend dahin, RichterInnen und StaatsanwältInnen zu
Fortbildungen zu verpflichten. In der Richterschaft wurde dies auf Grund eines
falschen Verständnisses richterlicher Unabhängigkeit lange abgelehnt.
3. Das
Curriculum Justizgeschichte
Über Auftrag des Justizministerium erarbeitete
2009 ein interdisziplinäres Team
[18] ein Ausbildungsmodul zur Zeitgeschichte für die
Grundausbildung der Justiz. Diese „Curriculum Justizgeschichte“ genannte
Ausbildung besteht aus zwei Teilen zu je drei Tagen. Inhaltlich setzen sich die
Ausbildungseinheiten mit der Justizgeschichte ab dem 19.
Јаhrhundert auseinander. Die Zeit
des Nationalsozialismus und die Ahndung der Verbrechen dieser Zeit bilden zwar
einen Schwerpunkt der Seminare, die Inhalte umfassen aber etwa auch die
Geschichte der Laienbeteiligung, die Wandlung des Familienrechts, die reformintensiven
1970er-Jahre oder die Geschichte der RichterInnenausbildung und des
Weisungsrechts. Didaktisch setzen die
Seminare sowohl auf Vortragsformen als auch auf Diskussionen, Gruppenarbeiten
und Exkursionen. Zentral sind der interdisziplinäre Ansatz sowie die Einbindung
von Zeitzeugen und der Besuch von Gedenkstätten, etwa Am Spiegelgrund in Wien
oder in Mauthausen. Das Curriculum Justizgeschichte wurde seit 2009 insgesamt
vier Mal angeboten. Auf freiwilliger Basis haben bisher rund 120
RichteramtsanwärterInnen teilgenommen.
[19]
Ab dem Jahr 2017 sollen nun alle
künftigen RichterInnen und StaatsanwältInnen dieses Ausbildungsmodul
verpflichtend besuchen.
[20] Die
vorgenommenen Änderungen am Curriculum sind vor allem organisatorischer Natur
und betreffen die künftig größere Teilnehmerzahl.
[21] Der
breite Ansatz, der etwa Filme und Theaterbesuche in das Seminar integriert,
soll beibehalten werden. Zudem wurde Raum für mehr Flexibilität vorgesehen, der
das Eingehen auf aktuelle Geschehnisse ermöglicht. Es erscheint etwa sinnvoll,
aktuelle Vorgänge wie Fluchtbewegungen und alle damit verbundenen
Herausforderungen in einen geschichtlichen Kontext zu stellen. Wie war das mit
den diversen Flüchtlingsströmen in Europa im 20. Jahrhundert – was kann eine
Gesellschaft, ein Justizsystem aus den historischen Erfahrungen lernen?
Es liegt in der Natur der Sache, dass
sich der Erfolg einer solchen Ausbildung nicht messen lässt. Für das Curriculum
Justizgeschichte gilt dasselbe wie für die ebenfalls vor mehr als zehn Jahren
eingeführten Managementlehrgänge in der Justiz: es ist zu erwarten, dass sie
der Justiz mittelfristig neue Zugänge ermöglichen, Wissen schaffen, für ihr
Thema sensibilisieren und so zu spürbaren Qualitätssteigerungen im Alltag der
Gerichte und Staatsanwaltschaften führen. Schon heute gebührt Winfried Garscha
und der Herausgeberin dieses Bandes Claudia Kuretsidis-Haider von Seiten der
Justiz großer Dank dafür, dass sie dieses Curriculum so wie andere Projekte im
Justizbereich gemeinsam tragen und vorantreiben.



[1]    Garscha, Winfried, Zeit- und Rechtsgeschichte – neue Trends eines
Dialogs mit Tradition, in: Walter Pilgermair (Hrsg.), Wandel in der Justiz,
Wien 2013.
[2]    Tschadek war von 1949-1952 und von 1956-1960
österreichischer Justizminister. Zu Tschadeks Biographie vgl Thomas Geldmacher,
Der gute Mensch von Kiel? Marinerichter Otto Tschadek (1904-1969), in:
Thomas Geldmacher, Hannes Metzler, Magnus Koch, Peter
Pirker, Lisa Rettl (Hg.), »Da machen
wir nicht mehr mit …«
Österreichische Soldaten und Zivilisten vor
Gerichten der Wehrmacht, Mandelbaum Verlag (2010); auch online verfügbar:

http://deserteursdenkmal.at/wordpress/wp-content/uploads/2014/09/Thomas-Geldmacher-Der-gute-Mensch-von-Kiel.pdf
(Stand: 16.10.2016).
[3] Brandstetter fordert Erinnerungskultur der Justiz, Online- Standard
vom 20.1.2016, http://derstandard.at/2000029370409/Brandstetter-fordert-Erinnerungskultur-der-Justiz-ein
(Stand: 16.10.2016).
[4]    Bronner, Oscar: Die Richter sind unter uns. –
Wien: Forum, 1. Sonderheft Herbst 1965; Bronner, Oscar: Die Richter bleiben
unter uns. Forum, November 1965, S. 491ff.
[5]   Broda, Christian: Die
Republik hat einen Schlußstrich gezogen. Was1945 recht war, muss 1965 billig
sein. Forum 1965, 570ff.
[6]    Eine 2016 vom deutschen Bundesjustizminister
präsentierte Studie zeigt aber auch für Deutschland ein schreckliches Bild:
1957 waren 77% der leitenden Beamten des deutschen Bundesjustizministeriums
frühere NSDAP-Mitglieder. Vgl Manfred Görtemaker / Christoph Safferling, Die
Akte Rosenburg Das
Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit (2016), C.H.Beck; auch online
verfügbar: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Akte_Rosenburg.pdf?__blob=publicationFile&v=7
(Stand: 16.10.2016).
[7]   Oliver
Lehmann, Traudl Schmidt: In den Fängen des Dr. Gross. Das misshandelte Leben
des
Friedrich Zawrel.
Czernin, Wien 2001.
[9]    Zu Friedrich Zawrels Biographie, insbesondere
auch seiner Rehabilitierung vgl: Werner Vogt, Die Wahrheit hinter 16 Lügen, Die
Presse Printausgabe vom 18.5.2013 (http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/1403710/Die-Wahrheit-hinter-16-Lugen,
Stand: 16.10.2013), und Werner Vogt, Wer die Täter enttarnt, Die Presse
Printausgabe vom 18.4.2015 (http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/4711222/Wer-die-Taeter-enttarnt,
Stand: 16.10.2016).
[10] Friedrich Zawrel ist am
20.2.2015 verstorben. Justizminister Brandstetter hat Zawrel bei der
Trauerfeier gewürdigt. Dem Justizkritiker Werner Vogt hat Brandstetter im
September 2015 das Goldene Verdienstzeichen der Republik überreicht. Die
Aufführung des Nestroy-Preis-gekrönten Theaterstücks von Nikolaus Habjan über
die Lebenswege von Zawrel und Gross im Justizministerium hatte Zawrel gerade
noch erlebt.
[11] Verfahren gegen „Aula“: Einstellung laut Ministerium „unfassbar“,
Online-Standard vom 8.2.2016,
http://derstandard.at/2000030576146/Aula-Verfahren-Ministerium-haelt-Einstellung-fuer-unfassbar-und-verharmlosend, Stand: 16.10.2016. Vgl auch die
Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 7910/J-NR/2016 betreffend die
Einstellungsbegründung durch die Staatsanwaltschaft Graz durch Justizminister
Brandstetter: 7633/AB, XXV. GP,
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_07633/imfname_520561.pdf (Stand
16.10.2016).
[12] Vgl auch Mayr, Peter G.:
Richterausbildung in der Zweiten Republik, in: Kohl/Reiter-Zatloukal (Hrsg.),
RichterInnen in Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Auswahl, Ausbildung
Fortbildung und Berufslaufbahn, Wien 2014, 211f.
[13] Diese Ausführungen beziehen sich nur auf die
Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, die organisatorisch dem Justizministerium
untersteht. Die Auswahl der RichterInnen der noch jungen Verwaltungsgerichte
folgt anderen Regelungen, eine Richterausbildung im engeren Sinn ist bei den
Verwaltungsgerichten nicht vorgesehen.
[14] Oliver Scheiber, Braucht Österreich eine
Richterakademie?, juridkum Heft 4/2002, Seite 186ff.
[15] Einen Einblick in die Arbeiten zur Abstimmung der Ausbildung der
Rechtsberufe bieten die Internetseiten des EJTN (European Judicial Training
Network), das sich im EU-Rahmen dem Thema widmet (http://www.ejtn.eu, Stand: 16.10.2016),
sowie jene von HELP, einem Programm des Europarats zur Grundrechteschulung der
Rechtsberufe
[16] http://www.enm.justice.fr/?q=Presentation-ENM
(Stand: 16.10.2016).
[17] Das Institutul National al
Magistraturii (INM) verfügt über ein inhaltlich und didaktisch beachtliches
Konzept der RichterInnenausbildung (http://www.inm-lex.ro/index.php, Stand
16.10.2016).
[18] Winfried R. Garscha, Claudia
Kuretsidis-Haider, Oliver Scheiber.
[19] Vertiefend zum Curriculum vgl. Grünstäudl,
Georg: Reforming Training for Austrian Judges. Is a compulsory Teaching unit in
Legal History an “extravagant luxury”? fhi – forum historiae iuris, o7/2016,
http://www.forhistiur.de/en/2016-07-grunstaudl/
(Stand: 9.10.2016) sowie
Grünstäudl Georg, Was sollen
RichterInnen aus welcher Geschichte lernen? Das Curriculum Justizgeschichte in
der österreichischen Richterausbildung (erscheint im Frühjahr 2017).
[20]  Fall
„Aula“: Richter und Staatsanwälte müssen „Justizgeschichte“ lernen,
Online-Standard vom 11.3.2016,
http://derstandard.at/2000032745846/Causa-Aula-Brandstetter-zieht-Konsequenzen-bei-Ausbildung
(Stand: 16.10.2016).
[21] Die Zahl der Personen, die sich als RichteramtsanwärterInnen in der
Grundausbildung zum Richterberuf befinden, schwankte zuletzt zwischen 150 und
200 österreichweit.
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