Falter-Chefredakteur Florian Klenk führte zum Abschluss der Ausstellung boatpeople am 29.9.2015 ein Gespräch mit dem deutschen Bundesrichter und ZEIT-Autor Thomas Fischer.
Fischer geht in seiner Kolumne in der ZEIT mit der Justiz, aber auch mit Gesellschaft und Politik mitunter hart ins Gericht. Seit Jahresbeginn 2015 schreibt er jede Woche einen Kommentar für die Online-Ausgabe der ZEIT über Themen, die ihn bewegen: die Flüchtlingsströme, den Umgang mit der deutschen Vergangenheit, die Praxis der Strafjustiz. Die gesammelten Texte erscheinen demnächst als Buch („Im Recht“, Thomas Fischer). Durch seine Kommentare hat Fischer in Deutschland breitere Bekanntheit erlangt. In Fachkreisen war er schon bisher als Verfasser des maßgeblichen Kommentars zum deutschen Strafgesetzbuch bekannt.
Im Gespräch zeigte sich Fischer im Ton verbindlicher – ohne von seinen Kernaussagen abzuweichen. Mit kleinen, unbegabten, ungebildeten Dieben und Räubern mache die Justiz kurzen Prozess, in effizienten Verfahren würden harte Strafen verhängt, so Fischer. Ganz anders sei das bei der Wirtschaftskriminalität – da ginge im Verfahren wenig voran. Man könne Tatbestände jahrzehntelang problemlos anwenden – sobald eine hochrangige Persönlichkeit betroffen ist, werde von vielen auf einmal die Verfassungsmäßigkeit des Tatbestands in Frage gestellt, so Fischer. Man sehe dies an der Diskussion um den Untreuetatbestand des deutschen Strafgesetzbuches.
Mehr als 60 Besucherinnen und Besucher waren zu der in Kooperation mit SOS-Mitmensch und der Zeitschrift falter organisierten Veranstaltung gekommen.
Mein Dank gilt den Kooperationspartnern und Moderatorinnen und Moderatoren der Begleitveranstaltungen, vor allem aber dem Fotografen Markus Thums: eines seiner Flüchtlingsportraits hat Justizminister Brandstetter privat angekauft und bereits im Ministerbüro aufgehängt.
vlnr: Oliver Scheiber, Thomas Fischer, Florian Klenk
Bildübergabe im BMJ (vlnr): Markus Thums, Justizminister Brandstetter, Oliver Scheiber
Vom 13.8. bis 29.9.2015 war die Ausstellung boatpeople am Bezirksgericht Meidling zu sehen – der Wiener Fotograf Markus Thums hatte Portraits von in Wien lebenden Flüchtlingen, die mit Booten das Mittelmeer überquert hatten, angefertigt. Die Ausstellung wurde von drei Abendveranstaltungen umrahmt.
Am 22.9. begrüßte Maria Sterkl (Der Standard, Die Zeit) VertreterInnen von Initiativen, die sich in der Arbeit mit Flüchtlingen bewährt haben. Mahsa Ghafari stellte den Verein Flucht nach vorn vor – Jugendliche aus Wien gehen auf Flüchtlinge zu und unternehmen gemeinsam Freizeitaktivitäten. Der Verein hat den Ute-Bock-Preis 2015 von SOS Mitmensch erhalten.
Für das Wohnhaus Sidra des Arbeiter-Samariterbunds war dessen Leiterin Anita Fahrmann-Foidl gekommen. Das Wohnhaus beherbergt 30 minderjährige Flüchtlinge und unterstützt sie in der ersten Zeit in Österreich. Das Wohnhaus befindet sich in Meidling nahe der Philadelphiabrücke.
Dritter Gast war der Bürgermeister der burgenländischen Gemeinde Neudörfl, Dieter Posch. Er berichtete, dass seine Gemeinde seit mehr als 25 Jahren Flüchtlinge aufnehme. Die Gemeinde bemühe sich um aktive Integrationsmaßnahmen, so entfalle für Flüchtlinge die Gebühr für den Besuch des Kindergartens. Dieser Ansatz erfahre breite Unterstützung in der Bevölkerung, auch wenn immer wieder Skepsis auftauche. Das Neudörfler Beispiel stehe aber mittlerweile für eine aktive Aufnahme- und Integrationspolitik zahlreicher Gemeinden Österreichs.
Rund 40 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, nach der Veranstaltung auch die Ausstellung zu besuchen.
Vlnr: Dieter Posch, Anita Jahrmann-Foidl, Mahsa Ghafari, Moderatorin Maria Sterkl
Inhalte: Schwerpunkte der LV werden u.a. sein: das Prinzip der Gewaltentrennung, Korruption und Korruptionsbekämpfung, Rechtsgüterschutz (Verhältnis der Strafen bei Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben), Fragen des Zugangs zum Recht (Verfahrenshilfe, Kosten, richterliche Anleitungspflichten, Amtstage), die Kommunikation in rechtlichen Settings, Gesetzgebungsverfahren in Österreich und in der Europäischen Union.
Methoden: Tagesaktuelle Sachverhalte werden in dieser LV herangezogen, um Grundfragen des Rechtssystems zu diskutieren. Dabei wird einerseits die geltende Rechtslage erörtert, andererseits sollen verschiedene rechtspolitische Alternativen und ihre möglichen Folgen besprochen werden.
Art der Leistungskontrolle: persönliche Anwesenheit, Mitarbeit, kurze schriftliche Zusammenfassung der einzelnen Einheiten sowie aufgetragener Literatur; mündliche/schriftliche Wissensüberprüfung
Literatur: Hans Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, weitere Literatur wird zu Semesterbeginn bekanntgegeben
Bis 29.9. ist die Ausstellung boatpeople von Markus Thums noch am Bezirksgericht Meidling zu
sehen. Demnächst findet die zweite von drei Begleitveranstaltungen statt:
Hilfe funktioniert: best practices bei der Aufnahme von Flüchtlingen Maria Sterkl im Gespräch mit VertreterInnen von Flüchtlingsinitiativen: Mahsa Ghafari – Verein Flucht nach Vorn Anita Jahrmann-Foidl – Haus Sidra des Arbeitersamariterbunds zur Integration minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge Dieter Posch, Bürgermeister von Neudörfl (Bgld)
Die Veranstaltung wird unterstützt von: Verein Ute Bock, Kunstverein Wien Alte Schmiede, Nationalfonds der Republik Österreich, Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Am 13.8.2015 fand die Vernissage zur Ausstellung boatpeople am Bezirksgericht Meidling statt. Trotz 37 Grad Hitze waren rund 80 Besucherinnen und Besucher gekommen, bei denen ich mich herzlich bedanke. Den Abend gestaltete die Journalistin und Autorin Livia Klingl, die aus ihrem Buch („Wir können doch nicht alle nehmen“, Verlag Kremyr & Scheriau [2015]) las und Gespräche mit Flüchtlingen führte.
Am 17.8. besuchte Justizminister Wolfgang Brandstetter das Bezirksgericht Meidling und kaufte spontan eines der Portraits von Markus Thums für die Ministerräumlichkeiten im BMJ an,
Die Ausstellung boatpeople am Bezirksgericht Meidling ist öffentlich zugänglich; die Portraits sind an allen Werktagen zwischen 7.30 Uhr und 15 Uhr zu sehen (Eintritt frei, aber bitte Lichtbildausweis für die Sicherheitskontrolle bei Gericht mitbringen):
Bezirksgericht Meidling, Schönbrunner Strasse 222-228, Stiege 3, 5. Stock (im U4-Center über der U-Bahn-Station Meidling Hauptstrasse).
Weitere Begleitveranstaltungen zur Ausstellung:
Am 22. September um 18 Uhr stellen wir erfolgreiche Integrationsprojekte vor: Standard-Redakteurin und ZEIT-Autorin Maria Sterkl spricht mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft.
Am 29. September um 18 Uhr ist der deutsche Höchstrichter und ZEIT-Autor Thomas Fischer zu Gast. Das Gespräch mit ihm führt FALTER-Chefredakteur Florian Klenk.
Bitte melden Sie sich zu den Veranstaltungen am 22. und 29.9. an: bgmeidling.laedt.ein@gmail.com
Der Fotograf Thomas Wittmann hat Eindrücke von der Vernissage festgehalten: