Justiz ist nicht sakrosankt – Zur Kritik am Urteil eines Grazer Gerichts

Kommentar für DIE PRESSE vom 28.11.2017
Ein steirischer Arzt wurde vor Kurzem unter anderem vom Vorwurf freigesprochen, seine Kinder gequält zu haben. Das Urteil bewertet laut Medienberichten das äußere Erscheinungsbild der Kinder; über eine Tochter heißt es, sie lege „offensichtlich auf Kleidung, dem Anlass entsprechend, keinen Wert“. Die Exfrau des Angeklagten wird als „überladene Person“ bezeichnet.
Die Wortwahl des Urteils ist schwer mit bestehenden Vorgaben für die Formulierung von Urteilen in Einklang zu bringen. Das Gesetz verlangt von Richtern verständliche Erledigungen. Die Ausdrucksweise müsse „richtig und der Würde des Gerichts angepasst sein. Ausführungen, die nicht zur Sache gehören oder jemanden ohne Not verletzen könnten, sind unzulässig“, heißt es im Gesetz.
Die Bevölkerung erwartet mit Recht, dass gerichtliche Schriftstücke und Äußerungen von Richtern niemanden herabsetzen oder beleidigen; keine Opfer, aber auch keine Angeklagten oder Zeugen. Richter müssen die Wirkung ihrer Worte bedenken. Werden Menschen in Urteilen bloßgestellt, so kann das weitere Opfer von Straftaten davor abschrecken, Anzeige zu erstatten oder auszusagen. Rechtsprechung hat viel mit Grundrechten und der Würde von Menschen zu tun. Deshalb bemühen sich die Verwaltungen der Justizsysteme weltweit, bei der Auswahl und Ausbildung der Richter der Persönlichkeit der Kandidaten mehr Bedeutung beizumessen.

Persönliche Unterstellungen

Gerichtsverhandlungen sind öffentlich, damit Vertrauen in die Justiz entsteht. Gerichte sind nicht sakrosankt, die Meinungsfreiheit berechtigt Medien und Bürger, gerichtliche Entscheidungen zu kritisieren. Für die Weiterentwicklung unseres Rechts ist die kritische Fachdiskussion über Urteile wichtig. Heikel wird Kritik, wenn sie, wie im Fall des Flughafen-Urteils, mit persönlichen Unterstellungen gegen Richter arbeitet.
Umgekehrt ist es wichtig, dass Urteile wie jenes aus Graz aus der Richterschaft selbst kritisiert werden. Denn die große Mehrheit der Richterinnen und Richter leistet gute Arbeit und bedient sich einer anderen Sprache und eines anderen Tons als das Grazer Urteil. Die neue Präsidentin der Richtervereinigung meinte, sie könne die Bedenken gegen die Wortwahl des Urteils nachvollziehen und sieht auch eine Verletzung der Vorgaben der Ethikerklärung der Richtervereinigung. Dort heißt es u.a: „Wir begegnen Verfahrensbeteiligten sachlich, respektvoll und äquidistant und gewähren ihnen ausgewogenes Gehör.“
Die öffentliche Kritik ist berechtigt. Das fallweise verwendete Argument, ohne Kenntnis des Aktes könne man ein öffentlich zitiertes Urteil nicht beurteilen, ist billig; es delegitimiert jede Kritik. Man muss auch nicht die Krankengeschichte kennen, um die irrige Amputation eines gesunden an Stelle eines verletzten Fingers zu rügen. Die Entwicklungen in Polen, Rumänien, der Türkei und Ungarn zeigen, wie wichtig die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter ist. Diese Unabhängigkeit ist aber vor allem auch eine Verpflichtung der Richterschaft gegenüber der Bevölkerung.
Wenn Fehlleistungen wie im Grazer Urteil passieren, dann dürfen und sollen sie kritisiert werden – von innen und von außen.
Dr. Oliver Scheiber (* 1968) ist Richter in Wien; Leiter des Bezirksgericht Meidling. Der Text gibt seine persönliche Ansicht wieder.
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Schützenhöfer vor Gericht: Katalog zur Werkschau

In den Jahren 2015/2016 hat der steirische Maler Josef Schützenhöfer eine große Werkschau am Bezirksgericht Meidling gezeigt. Zu dieser Ausstellung ist nun ein Katalog erschienen: neben Josef Schützenhöfer gilt mein Dank Reinhard Öhner für die grafische Gestaltung, Walter Famler sowie Vizekanzler Justizminister Wolfgang Brandstetter und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Büros sowie des Justizministeriums für die große Unterstützung.
Die Präsentation des Katalogs erfolgte am 18.10.2017 im Justizpalast in Wien zeitgleich mit der Aufstellung eines großen Gemäldes von Josef Schützenhöfer zur Erinnerung an den Tod von 71 Flüchtlingen in einem LKW im Sommer 2015. Das Werk wird für einige Wochen im Justizpalast verbleiben und dann an weitere öffentliche Ausstellungsorte wandern.
Der Katalog zur Ausstellung Schützenhöfer vor Gericht kann zum Preis von EUR 15,- hier bezogen werden: https://www.josef-schuetzenhoefer.com
Bericht über die Aufstellung des Bildes „71“ im Justizpalast:
Vielen Dank an Christine Kainz für die Fotos!
Alle Fotos: Christine Kainz

v.l.: Janice Schützenhöfer, Hawre Ahmad (Lesung),
Josef Schützenhöfer, Verena Latzer (Moderation), Oliver Scheiber

Oliver Scheiber, VK Justizminister Wolfgang Brandstetter

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Courtroom – Nachtgespräch in Meidling mit Agnes Aistleitner

Wir – Judith Kohlenberger/Wittgenstein Centre der WU Wien, Angelika Kurz/Uni Wien, Verena Latzer/Justiz – haben einander erst vor wenigen Monaten kennengelernt. Und wir haben eine neue Veranstaltungsreihe aus der Taufe gehoben: Courtroom – Nachtgespräch in Meidling.
Am 3. Oktober 2017 fand das erste Gespräch statt, mit Agnes Aistleitner über ihr Projekt Teenah, dem Aufbau einer Textilproduktion in Jordanien. 
In der Folge unseres Gesprächs hat die ZEIT Agnes Aistleitner ein großes Porträt gewidmet:
Der Abend ist auf Facebook dokumentiert – samt Bildern und Video: 
Ich danke Judith, Angelika und Verena für die wunderbare Zusammenarbeit im Team! Und den vielen Besucherinnen und Besuchern des ersten Abends.
v.l.: Angelika Kurz, Judith Kohlenberger, Edith Meinhart, Agnes Aistleitner,
Christine Grabner, Oliver Scheiber, Verena Latzer
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Rechtshörerschaft für geflüchtete Juristinnen und Juristen

juridikum 2/2017
Farzaneh
Vahedmonfared / Oliver Scheiber
Abstract : Unter den in den letzten zwei Jahren nach Österreich
geflüchteten Menschen sind viele Juristinnen und Juristen. Der Wiedereinstieg
in einen juristischen Beruf ist für sie ein langer Weg. Der Erwerb von guten
Kenntnissen der deutschen Sprache und die Nostrifikation des Studiums sind
große Hürden. Die österreichische Justiz versucht, geflüchtete Menschen beim
Berufswiedereinstieg zu unterstützen, und zwar in Form von Rechtshörerschaften
bei Gerichten. Dieses Projekt wird aus Sicht eines Richters und einer aus dem
Iran stammenden Juristin vorgestellt.
Schlagwörter : Rechtshörerschaft, Gerichte, Fonds Soziales
Wien, Praktika, Asylwerberinnen, Asylwerber, Flüchtlinge, Nostrifikation,
Justizministerium, Universitätslehrgang, AMS
1. Geschichte
des Projekts
1.1. Aus
Projektperspektive (Oliver Scheiber)[1]
Als im Sommer 2015 der große Flüchtlingszustrom nach
Österreich einsetzte, beauftragte die Stadt Wien den Fonds Soziales Wien (FSW)
mit der Koordinierung der Flüchtlingshilfe. Anfang 2016 startete der FSW ein
Praktikaprogramm: Für Flüchtlinge mit offenem Asylverfahren, die keiner regulären
Beschäftigung nachgehen dürfen, sollte die Zeit des Wartens besser genutzt
werden. Der FSW vermittelt seither Interessierte zu Dienststellen der Stadt
Wien.
[2]
Auf meine Anregung hin erging im Sommer 2016 ein
Erlass des Bundesministeriums für Justiz, der geflüchteten JuristInnen oder
Jusstudierenden Praktika bei Wiener Gerichten ermöglicht.
[3]
Rechtshörerschaften stehen seit jeher österreichischen Jusstudierenden offen.
In der Regel lernen Studierende so für einen Zeitraum zwischen drei und sechs
Wochen die Arbeit bei Gericht kennen. Der neue Erlass hält nun fest, dass diese
unbezahlten Rechtshörerschaften auch bereits graduierten JuristInnen und auch
für längere Perioden (für zwei bis maximal fünf Monate) offensteht.
Das Projekt startete mit einigen Wiener
Pilotgerichten. Zu einer von FSW und Justiz gemeinsam organisierten
Infoveranstaltung im August 2016 kamen mehr als 100 Interessierte.[4] Mehrheitlich
waren es graduierte JuristInnen, die in ihren Herkunftsländern unterschiedlich
lange Laufbahnen in Rechtsberufen zurückgelegt haben. Viele der Interessierten
waren als RechtsanwältInnen, RichterInnen oder StaatsanwältInnen tätig gewesen.
Die quantitativ am stärksten vertretenen Herkunftsländer waren Syrien, der
Irak, Iran und Afghanistan.
1.2. Aus Teilnehmerinnenperspektive
(Farzaneh Vahedmonfared)
Ich bin 1990 im Iran geboren und studierte in Teheran
Jus. Ich habe das Masterstudium mit Schwerpunkt Privatrechtswissentschaft als
eine der drei besten Studierenden abgeschlossen und spreche fünf Sprachen, neben
Farsi noch Türkisch, Deutsch, Englisch und etwas Arabisch. Während meines
Studiums habe ich mehrere Praktika in Spitälern und verschiedenen
Magistratsabteilungen der Stadt Teheran absolviert. Ich habe diverse
Gerichtsverhandlungen besucht, wo ich mit Beteiligten in direkten Kontakt
treten konnte. Nach dem Studium arbeitete ich ein Jahr lang bei einem Notar. In
dieser Zeit musste ich feststellen, dass in meinem Land die Menschlichkeit
verhandelbar ist und Gerechtigkeit, Gesundheit und Gewissen käuflich sind.
Vor neun Monaten verließ ich aus religiösen Gründen
meine Heimat und beantragte in Österreich Asyl. Als ich von der Leiterin meiner
Asylunterkunft vom Projekt der Rechtshörerschaften an Wiener Gerichten erfuhr,
war ich in einer psychisch schlechten Verfassung. Ich hatte kurz davor die
Absage der Bewerbung für einen Universitätslehrgang (Behörden- und
Gerichtsdolmetschen) bekommen. Als eine Person, die in ihrer Heimat eine
akademische Ausbildung hatte, war ich jetzt ohne sozialen Status. Ich fühlte
mich in einer aussichtlosen und hoffnungslosen Situation gefangen. Das Angebot
war für mich wie ein Licht in der Dunkelheit.
Bei der Infoveranstaltung stellten sich sechs Gerichte
vor. Jede(r) konnte sich nach ihrem/seinem Interesse ein Gericht für eine
Rechtshörerschaft in Straf- oder Zivilverfahren aussuchen. Ich wählte das
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und dachte vor allem an die
Möglichkeit, Akten zu studieren. Nach dem Mailverkehr und der
Terminvereinbarung mit dem LG für Zivilrechtssachen und einem Aufnahmegespräch
begann ich mit dem Praktikum.
2.
Erfahrungen im Projekt
2.1. Aus
Projektperspektive (Oliver Scheiber)
Im September 2016 begannen die ersten RechtshörerInnen
ihre Praktika bei Gericht.
[5] Unter ihnen
waren sowohl Personen, die bereits Asyl oder subsidiären Schutz erhalten
hatten, als auch Personen mit noch laufendem Asylverfahren. Die
Rechtshörerschaft bietet Gelegenheit, Akten zu lesen, Verhandlungen zu besuchen
und sich mit dem österreichischen Behörden- und Gerichtswesen vertraut zu machen;
zudem die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Besonders gut funktioniert der
Austausch mit österreichischen RechtspraktikantInnen. Dies ist insofern
zentral, als die meisten refugees die
Nostrifikation ihres Studiums anstreben und von RechtspraktikantInnen aktuelle
Informationen zu den Studienbedingungen erhalten.
Im Gerichtsalltag werden die RechtshörerInnen mit den
heimischen gesetzlichen Regelungen rasch vertraut. Die Unterschiede der
österreichischen Rechtsordnung zu jenen in den Hauptherkunftsländern werden
tendenziell überschätzt. Institutionen wie Mediation oder Diversion oder die
Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum sind den meisten RechtshörerInnen
vertraut. Die größte Hürde für eine Integration in die juristische Arbeit sind
die Sprachkenntnisse. Das Erlernen des Deutschen in einer solchen Qualität,
dass ein juristisches Arbeiten möglich ist, ist nach den Erfahrungen des
Projekts tatsächlich sehr schwierig.
2.2. Aus
Teilnehmerinnenperspektive (Farzaneh Vahedmonfared)
Ich wurde für zwei Monate als Rechtshörerin
aufgenommen. Man brachte mir von Anfang viel Vertrauen entgegen, sodass ich
einen Schlüsselchip sowie einen Schreibtisch mit PC und eigenem Zugang zum
Intranet der Justiz bekam.
Die ersten Tage am Gericht waren sehr schwer für mich,
ich verstand vieles nicht. Mein Selbstvertrauen und -bewusstsein war am
Tiefpunkt angelangt. Alles war mir fremd, die Menschen, die Sprache und ihr
Fachvokabular, die Atmosphäre des Gerichts und sogar die Gesetzestexte.
Trotz aller Parallelitäten zwischen den beiden
Rechtssystemen im Iran und Österreich gab es große Unterschiede in Bezug auf
Menschen-, Frauen- und Kinderrechte sowie in straf- und zivilrechtlichen
Fragen. Auch kannte ich zB sachliche und örtliche Zuständigkeiten und andere
Fachtermini, aber ich konnte mir diese Begriffe in der neuen Sprache nicht
merken und wurde verzweifelt und enttäuscht.
Am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien arbeitete
ich mit einer Richterin und zwei Richtern. Einer der Richter übergab mir einen
Akt zum Einlesen, in dem die Verhandlung bevorstand. Ich bereitete den Akt
genau vor. Die Verhandlung war für mich sehr aufregend. Ich war völlig davon
überrascht, dass ich in der Verhandlung an der Seite des Richters sitzen
durfte. Die ersten Verhandlungstage waren sehr schwer. Ich musste mich sehr
anstrengen und konzentrieren, um allem folgen zu können. Die Richterinnen und
Richter unterstützten mich und erklärten vieles und mit jeder Verhandlung fiel
es mir leichter zu verstehen.
Die Richterin, der ich zugeteilt war, hat mich mit
fachlichen Erklärungen genau so unterstützt wie durch persönliche,
freundschaftliche Gespräche. Nach jeder Verhandlung fragte sie mich nach meiner
Meinung und was ich an ihrer Stelle gemacht hätte. Diese Wertschätzung hat mich
enorm gestärkt, sie ließ meine Probleme, das Heimweh und die Ungeduld beim
Deutschlernen, kleiner erscheinen. Dass die Richterin auf Titel und äußere
Zeichen des Amts wenig Wert legte, hat mich beeindruckt.
Ein anderer Richter nahm sich ein paar Stunden pro
Woche Zeit für mich und beantwortete meine Fragen. Er recherchierte zu Fragen,
die nicht in seinem Fachgebiet lagen und stellte mir Ausdrucke zur Verfügung.
Ich erhielt Vorauflagen von Büchern und konnte über das RIS im Netz Änderungen
verfolgen. Das auf der Intranetseite der Justiz verfügbare E-Learning-Programm E-LAN war fachlich und sprachlich sehr
nützlich für mich. Viele RechtspraktikantInnen waren ebenfalls sehr
hilfsbereit, haben mir Lernmaterialien gebracht und Anregungen gegeben.
Nach dem Landesgericht wollte ich gerne beim BG für
Handelssachen Wien weitere Erfahrungen sammeln und erhielt von dessen
Vorsteherin auf meine Anfrage sofort eine Zusage. Ich fand ähnliche
Möglichkeiten vor wie am Landesgericht und konnte auch direkt mit der
Vorsteherin zusammenarbeiten. Unter ihrer Anleitung konnte ich gerichtliche
Erledigungen vorbereiten, was für mich sehr lehrreich war.
3. Ausblick
3.1. Aus
Projektperspektive (Oliver Scheiber)
Die mehr als 100 anwesenden JuristInnen bei der
Infoveranstaltung in Wien lassen auf 
mehrere hundert Jusstudierende und JuristInnen unter den in den letzten
Jahren nach Österreich geflüchteten Menschen schließen. Eine große Hürde ist
die Nostrifikation des Jusstudiums. Dazu sind rund 80 % eines regulären
Studiums zu absolvieren. Es ist fraglich, ob das für Personen, die oft bereits
10 oder 20 Jahre lang als RichterInnen, StaatsanwältInnen oder
RechtsanwältInnen – oft auch international – tätig waren, angemessen ist. Es
wäre ein ganz wesentlicher Integrationsschritt, wenn die juridischen Fakultäten
zumindest vorübergehend ein spezielles Kursprogramm einrichteten, das diese
hochqualifizierte Berufsgruppe schnell an die Nostrifikation heranführt und den
Aufwand sowohl für die Universitäten als auch für die an der Nostrifikation
interessierten Personen reduziert. Die refugees
bringen in den Arbeitsmarkt der österreichischen Rechtsberufe durch ihre
Sprachkenntnisse (va Arabisch und Dari-Farsi) viel zusätzliches Knowhow ein.
Für die Justiz ist das Programm jedenfalls auch ein Gewinn – es entsteht mehr
Wissen und Sensibilität für andere Rechtskreise und Fluchtumstände, gerade der
Austausch zwischen jüngeren JuristInnen ist das beste Mittel, ein Gegenkonzept
zu den aufkommenden nationalistischen Strömungen zu entwickeln.
Mittlerweile bringen sich Wiener
RichteramtsanwärterInnen stark in das Projekt ein; ein Mentoringprogramm in
kleinerem Rahmen ist entstanden. AMS (Wien) und FSW planen für April 2017 eine
weitere Infoveranstaltung, zu der auch die Anwaltschaft eingeladen wird, um den
Berufseinstiegs geflüchteter JuristInnen zu fördern und zu erleichtern.
3.2. Aus
Teilnehmerinnenperspektive (Farzaneh Vahedmonfared)
Mein aktuelles Ziel ist es, die deutsche Sprache so zu beherrschen,
damit ich das Leben, das ich mir im Iran wünschte und nicht bekam, in
Österreich führen kann. Bei der Info-Veranstaltung zur Rechtshörerschaft habe
ich übrigens zufällig die Leiterin des Lehrganges kennengelernt, für den ich
nicht zugelassen worden war. Ich erhielt eine zweite Chance und bin nun,
während ich diesen Text schreibe, Studentin dieses Lehrgangs.
Farzaneh
Vahedmonfared, MA hat im Iran das Masterstudium der Rechtswissenschaften
abgeschlossen und besucht nach Absolvierung einer Rechtshörerschaft derzeit den
neuen postgradualen Universitätslehrgang „Behörden- und Gerichtsdolmetschen“ an
der Universität Wien.
Dr. Oliver Scheiber
ist Richter und Lehrbeauftragter in Wien; oliver.scheiber@univie.ac.at



[1] Wir haben uns
entschieden, das Projekt aus der Perspektive eines in das Projekt involvierten
Richters (Oliver Scheiber) und einer Projektteilnehmerin (Farzaneh
Vahedmonfared) darzustellen und diese beiden Perspektiven als solche explizit
zu machen und einander gegenüber zu stellen; bei jedem Unterkapitel wird
angegeben, wer von uns beiden das Kapitel geschrieben hat. Wir danken Nina
Eckstein und Ines Rössl für diese Anregung.
[2] So können zB ZahnärztInnen
in der Wiener Zahnmedizin mitarbeiten. Auch die Wiener Polizei beteiligte sich
frühzeitig an dem Projekt und setzt Flüchtlinge als Schülerlotsen ein.
[3] Bereits im Sommer
2015 hatten sich viele JustizmitarbeiterInnen in der Flüchtlingshilfe
engagiert. RichteramtsanwärterInnen halfen in der Rechtsberatung auf den
Bahnhöfen, einige nahmen Flüchtlinge zu Hause auf. Auch die offizielle
Justizebene wurde aktiv; einige Flüchtlingsfamilien fanden Quartier im
Justizbildungszentrum Schwechat.
[4] Der FSW erfasst die Berufe aller von ihm betreuten Menschen und
erreicht über seine Mailverteiler zahlreiche Betreuungseinrichtungen. Diese
machten die Infoveranstaltung unter den geflüchteten Menschen bekannt.
[5] Vgl auch Sterkl, Flüchtlinge in der Justiz,
derstandard.at, 16.10.2016,
http://derstandard.at/2000045921234/Fluechtlinge-in-der-Justiz-Scheidung-auf-Oesterreichisch
(4.3.2017).
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