Gefängnisse in der visionslosen Gesellschaft

Die 1970er-Jahre waren in Österreich eine Zeit großer Reformen. Der langjährige Justizminister Christian Broda – sein Todestag jährte sich diesen Februar zum 25. Mal – machte die Humanisierung des Gefängnisalltags zu einem seiner Arbeitsschwerpunkte. Der Gedanke der Resozialisierung der Häftlinge gewann an Bedeutung. Der Umgang mit Verurteilten fand erstmals den Weg in die öffentliche Diskussion. 
Die Zeiten grundsätzlichen Nachdenkens sind lange vorbei. Brodas Vision einer gefängnislosen Gesellschaft hat sich ins Gegenteil verkehrt: die heutige Gesellschaft hat vom Strafvollzug weder ein realistisches Bild noch Visionen. Die Politik hat die Beschäftigung mit dem Strafvollzug längst aufgegeben, nicht ohne zuvor den Gefängnissen den irreführend harmlosen Titel „Justizanstalt“ zu verpassen. Nicht einmal juristische Zeitschriften – das kleinere Journal für Strafrecht ausgenommen – beachten den quantitativ bedeutendsten Bereich des Justizapparats (zwischen 8000 und 9000 Personen befinden sich laufend in Österreichs Gefängnissen). Umso wichtiger sind da Grundsatzartikel über den Strafvollzug wie zuletzt in der deutschen ZEIT. Viel des dort Geschriebenen hat Gültigkeit auch für Österreich.
Bild: (c) REUTERS (REGIS DUVIGNAU)
 
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Regelverstöße in Kärnten, die kein Kavaliersdelikt sind

Kommentar der Anderen für den STANDARD, Printausgabe vom 6.8.2012

FPK-Abgeordnete,
die der Sondersitzung des Kärntner Landtages fernbleiben, und der
Rauswurf eines Fotojournalisten aus einer Pressekonferenz offenbaren ein
gebrochenes Verhältnis zur Demokratie
Im Kärntner Landtag fand
am vergangenen Freitag eine Sondersitzung statt. Alle Abgeordneten der
FPK, also jener Partei, die den Landeshauptmann stellt, fehlten – mit
Ausnahme des Landtagspräsidenten. Ein solches Verhalten von Abgeordneten
ist nichts anderes als eine Verhöhnung des parlamentarischen Systems
und der Bevölkerung.
In diesem Fall muss man jeden einzelnen Abgeordneten in die Pflicht
nehmen: jeder einzelne hat einen Eid auf die Verfassung abgelegt und
bezieht ein angesichts der bescheidenen Landeskompetenzen großzügiges
Entgelt für die Abgeordnetentätigkeit.
Die Rechtslage ist unmissverständlich: gemäß Paragraf 6 des
maßgeblichen Landesgesetzes (Geschäftsordnung des Kärntner Landtages)
ist jedes Mitglied des Landtages verpflichtet, an den Sitzungen des
Landtages teilzunehmen. Ein Fernbleiben ohne hinreichenden
Entschuldigungsgrund ist daher schlicht rechtswidrig.
Wenn Landtagspräsident Lobnig in der Sitzung mitteilte, „dass
Landeshauptmann Gerhard Dörfler, die Landesräte Harald Dobernig sowie
alle Abgeordneten der FPK-Fraktion entschuldigt sind“, so wäre schon der
genaue Hinderungsgrund zu hinterfragen. Es werden wohl nicht alle
Abgeordneten gleichzeitig erkrankt oder durch besondere berufliche oder
private Umstände verhindert gewesen sein. Eine parallel angesetzte
Parteisitzung kann wohl kein tauglicher Entschuldigungsgrund im Sinne
des Gesetzes sein.
Das Verhalten ihrer Abgeordneten offenbart ein gebrochenes Verhältnis
der FPK zu parlamentarischer Arbeit und Demokratie. Dabei spiegelt es
eine in der gesamten Gesellschaft verbreitete Mentalität wider: Wie
anders ist es zu erklären, dass letzte Woche eine Pressekonferenz von
Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch normal weiterlief, nachdem
Scheuch den APA-Fotografen Gert Eggenberger aufgefordert hatte, den Raum
zu verlassen – Scheuch gefallen Eggenbergers Fotos nicht. Wäre es nicht
eine Selbstverständlichkeit an Solidarität und Zivilcourage, dass die
anderen Medienvertreter gemeinsam mit Eggenberger die Pressekonferenz
verlassen?
Wie kann es sein, dass in einem freien Land alle bei der ständigen
Herabsetzung der gesellschaftlichen Umgangsformen mitmachen?
Bei Antritt der schwarz-blauen Bundesregierung gab es genug
kritische Journalisten (und es gab monatelang Umzüge von
Demonstranten), die vor nunmehr bereits zwölf Jahren vor einer
gefährlichen Entwicklung warnten. Nun steht Kärnten, aber auch
Österreich vor dem vorhergesagten Scherbenhaufen, den eine Gruppe
korrupter und machtberauschter Politiker angerichtet hat. Dennoch gibt
es Anlass zu Optimismus: Zu groß war die Gier und Frechheit dieser
Gruppe, die jetzt den bevorstehenden Sturz und die strafrechtliche
Aufarbeitung ahnt und in ihren letzten Zuckungen um sich schlägt.
(Oliver Scheiber, DER STANDARD, 6.8.2012) 


  • Artikelbild
    foto: apa/eggenberger
    Leere Abgeordnetenplätze, Platzverweis für unliebsame Journalisten: die ständige Herabsetzung demokratischer Werte.
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Let`s play domino: Dietrich Birnbachers Kick-back-Geständnis

Der Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher hat vor einigen Tagen vor einem Klagenfurter Strafgericht ein Geständnis abgelegt. Ein ihm von Politikerns zugesichertes, absurd überhöhtes Gutachtenshonorar habe dazu gedient, Rückflüsse an ÖVP und FPK zu finanzieren, also verdeckte Parteienfinanzierung zu organisieren. Der Inhalt des Geständnisses hat wohl kaum jemanden überrascht. Jedem auch nur flüchtigen Medienkonsumenten war längst klar geworden, dass solche Kick-back-Modelle bei Unternehmensverkäufen und Privatisierungen in
Österreich – insbesondere zu Zeiten und an Orten einer FP-Regierungsbeteiligung – zum selbstverständlichen Vertragsbestandteil geworden sind. Die Namen der Verdächtigen in den diversen laufenden Ermittlungsverfahren sind immer dieselben.
Dietrich Birnbacher hat als einer der ersten Verdächtigen die prozesstaktischen Vorteile eines Geständnisses erkannt. Immerhin sehen die Strafgesetze für Aussteiger aus kriminellen Machenschaften eine Reihe von Vergünstigungen vor, von Kronzeugenregelungen bis zu Milderungsgründen bei der Straffestsetzung. Birnbachers Vorbild könnte zu einem Dominoeffekt führen: viel spricht dafür, dass es das Kartenhaus der ausgeuferten Korruption zum Einsturz bringt und Österreich in ein bis zwei Jahren auf eine ganze Reihe verurteilter Politiker und Wirtschaftsbosse blicken wird. Reinigend wäre das allemal.
 
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Die Zeit der Geschichtslosen: von Philipp Rösler zum Urteil von Köln

Die Zeit der Verdrängung der NS-Vergangenheit in Deutschland und Österreich geht zu Ende. An die Stelle der Leugner, Verdränger und Verharmloser treten nun all zu oft Vertreter einer neuen Geschichtslosigkeit. Entscheidungsträger, denen das Wissen und Bewusstsein über historische Entwicklungen und die Wirkung von Symbolen fehlen. Diese Form der mangelnden Bildung durchzieht alle Bereiche. In der Politik finden wir sie vor allem bei ehrgeizigen Aufsteigern. In Österreich bei jungen Nationalratsabgeordneten aller Fraktionen, die einen Vertreter der extremen Rechten ins Nationalratspräsidium wählen. In Deutschland gerne bei der FDP, gut repräsentiert durch Außenminister Westerwelle und durch den neuen (man darf wohl schon sagen: Übergangspartei-) Vorsitzenden Philipp Rösler. Nur mit Unkenntnis der Geschichte und Negierung der Bedeutung des gemeinsamen Europa als Friedensprojekt lässt sich erklären, dass einer wie Rösler so plump zur Lage in Griechenland schwadroniert.

Foto: http://www.neuepresse.de/
Ähnlich auch in der Justiz: das Urteil des Landgerichts Köln zur Beschneidung von Kindern wird zwar in seiner Bedeutung überschätzt – es ist eine Entscheidung einer unteren Instanz, von einem Höchstgericht nicht überprüft. Doch es ist repräsentativ für einen unpolitischen, Geschichte ausblendenen Zugang (treffend dazu zuletzt Sibylle Hamann in der PRESSE am 4.7.2012), dessen Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden sollte. Das erstaunlich knappe Urteil wägt zwar Grundrechte (körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit etc) kurz ab, doch es reflektiert die Folgen und die Symbolik der Entscheidung mit keinem Satz. Man kann und sollte sich eine weitere Säkularisierung Europas wünschen, die vielen archaischen Dummheiten und Botschaften aller Religionen haben sich längst überlebt. Und dennoch: es ist eine Angst machende Unsensibilität und Blindheit, wenn gerade ein deutsches Gericht eine einzelne religiöse Handlung herausgreift, die neben den Angehörigen des Islam auch die jüdische Religionsgemeinschaft massiv betrifft. Eine solche Entscheidung erfordert die ausführliche Auseinandersetzung – auch innerhalb des Urteils – mit der Frage, ob ein solcher Eingriff im Lichte der Verantwortung Deutschlands (und auch Österreichs) für den Holocaust möglich ist. Die Antwort wird wohl lauten müssen: nein, derzeit noch nicht. Ganz sicher aber nicht als Einzelentscheidung; wenn, dann kann ein solcher – grundsätzlich positiver – Paradigmenwechsel zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlicher gegenüber der Macht der Religionen nur breit angelegt erfolgen, die vielen verschiedenen Eingriffe aller Religionen umfassend. Die reduzierte Begründung ist der wesentliche Mangel des Kölner Urteils. Das mögen die Richter gespürt haben: sie stellen zwar die Rechtswidrigkeit der Beschneidung fest, gelangen aber doch zu einem Freispruch. Juristisch wird das durch den Kunstgriff eines Verbotsirrtums möglich; eine Rechtsfigur, die sonst kaum Anwendung finder.
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Projekt des ibc mit dem Bezirksgericht Meidling gewinnt den HAK Award 2012

Die Schülerinnen und Schüler der Wiener Handelsakademien haben in ihrem Abschlussjahr größere Projektarbeiten durchzuführen, die sich über das gesamte letzte Schuljahr erstrecken. Jede Wiener Handelsakademie reicht einige Projektarbeiten bei einem wienweiten Wettbewerb ein. 2012 ging der 1. Preis, der Wiener HAK Award, an die Schüler der Handelsakademie ibc aus Hetzendorf, Clemens Hauffe, Fabian Fürnkranz und Bajram Sadiku. Die Schüler hatten das Bezirksgericht Meidling als Kooperationspartner gewählt und u.a. Umfragen unter MitarbeiterInnen und Parteien des Gerichts durchgeführt und analysiert sowie einen Informationstag zur österreichischen Justiz für alle SchülerInnen der Maturaklassen an ihrer Schule organisiert. Die Ehrung des erfolgreichen Teams und ihrer Professorinnen erfolgte am 22. Mai 2012 in feierlichem Rahmen. 
Quelle: www.ibc.ac.at
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