Regelverstöße in Kärnten, die kein Kavaliersdelikt sind

Kommentar der Anderen für den STANDARD, Printausgabe vom 6.8.2012

FPK-Abgeordnete,
die der Sondersitzung des Kärntner Landtages fernbleiben, und der
Rauswurf eines Fotojournalisten aus einer Pressekonferenz offenbaren ein
gebrochenes Verhältnis zur Demokratie
Im Kärntner Landtag fand
am vergangenen Freitag eine Sondersitzung statt. Alle Abgeordneten der
FPK, also jener Partei, die den Landeshauptmann stellt, fehlten – mit
Ausnahme des Landtagspräsidenten. Ein solches Verhalten von Abgeordneten
ist nichts anderes als eine Verhöhnung des parlamentarischen Systems
und der Bevölkerung.
In diesem Fall muss man jeden einzelnen Abgeordneten in die Pflicht
nehmen: jeder einzelne hat einen Eid auf die Verfassung abgelegt und
bezieht ein angesichts der bescheidenen Landeskompetenzen großzügiges
Entgelt für die Abgeordnetentätigkeit.
Die Rechtslage ist unmissverständlich: gemäß Paragraf 6 des
maßgeblichen Landesgesetzes (Geschäftsordnung des Kärntner Landtages)
ist jedes Mitglied des Landtages verpflichtet, an den Sitzungen des
Landtages teilzunehmen. Ein Fernbleiben ohne hinreichenden
Entschuldigungsgrund ist daher schlicht rechtswidrig.
Wenn Landtagspräsident Lobnig in der Sitzung mitteilte, „dass
Landeshauptmann Gerhard Dörfler, die Landesräte Harald Dobernig sowie
alle Abgeordneten der FPK-Fraktion entschuldigt sind“, so wäre schon der
genaue Hinderungsgrund zu hinterfragen. Es werden wohl nicht alle
Abgeordneten gleichzeitig erkrankt oder durch besondere berufliche oder
private Umstände verhindert gewesen sein. Eine parallel angesetzte
Parteisitzung kann wohl kein tauglicher Entschuldigungsgrund im Sinne
des Gesetzes sein.
Das Verhalten ihrer Abgeordneten offenbart ein gebrochenes Verhältnis
der FPK zu parlamentarischer Arbeit und Demokratie. Dabei spiegelt es
eine in der gesamten Gesellschaft verbreitete Mentalität wider: Wie
anders ist es zu erklären, dass letzte Woche eine Pressekonferenz von
Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch normal weiterlief, nachdem
Scheuch den APA-Fotografen Gert Eggenberger aufgefordert hatte, den Raum
zu verlassen – Scheuch gefallen Eggenbergers Fotos nicht. Wäre es nicht
eine Selbstverständlichkeit an Solidarität und Zivilcourage, dass die
anderen Medienvertreter gemeinsam mit Eggenberger die Pressekonferenz
verlassen?
Wie kann es sein, dass in einem freien Land alle bei der ständigen
Herabsetzung der gesellschaftlichen Umgangsformen mitmachen?
Bei Antritt der schwarz-blauen Bundesregierung gab es genug
kritische Journalisten (und es gab monatelang Umzüge von
Demonstranten), die vor nunmehr bereits zwölf Jahren vor einer
gefährlichen Entwicklung warnten. Nun steht Kärnten, aber auch
Österreich vor dem vorhergesagten Scherbenhaufen, den eine Gruppe
korrupter und machtberauschter Politiker angerichtet hat. Dennoch gibt
es Anlass zu Optimismus: Zu groß war die Gier und Frechheit dieser
Gruppe, die jetzt den bevorstehenden Sturz und die strafrechtliche
Aufarbeitung ahnt und in ihren letzten Zuckungen um sich schlägt.
(Oliver Scheiber, DER STANDARD, 6.8.2012) 


  • Artikelbild
    foto: apa/eggenberger
    Leere Abgeordnetenplätze, Platzverweis für unliebsame Journalisten: die ständige Herabsetzung demokratischer Werte.
Beiträge per Email abonnieren