Alle Beiträge von Oliver Scheiber

Un grande campione: Cesare Prandelli

Spanien schlägt Italien im Finale 4:0 und ist ein würdiger Europameister. Ungeachtet der Finalniederlage war die Leistung der italienischen Nationalmannschaft bei diesem Turnier mehr als beachtlich. Cesare Prandelli hat vor zwei Jahren die italienische Nationalmannschaft übernommen und tatsächlich Wunder vollbracht. Er hat das italienische Spiel revolutioniert und die Taktik nach Jahrzehnten von der Konzentration auf die Defensive befreit. Der Erfolg gibt ihm recht: Technik und Leidenschaft der italienischen Spieler kommen in der neuen Spielweise voll zur Geltung, Italien hat kein Spiel in der Qualifikation verloren und ein großes Turnier gespielt. Dem Charismatiker Prandelli ist es gelungen, aus dem Tumult um Wettskandale, Schiebungen und landesweite Aufregung heraus zum Teil schwierige Spieler zu einer Mannschaft zu formen. Mario Balotelli, an dem schon mehrere Trainer gescheitert sind, hat er zu einem der Stars des Turniers aufgebaut. Prandelli verfügt über menschliche Qualitäten, die in der uniformen Welt von heute auffallen: zuletzt hat er sich öffentlich gegen die im Fussball weit verbreitete Homophobie gewandt. Vor dem Start der Europameisterschaft lud er italienische Überlebende des KZ Ausschitz zum gemeinsamen Besuch der Gedenkstätte mit der italienischen Nationalmannschaft ein. Nicht umsonst also erhielt Prandelli bei seiner abschließenden Pressekonferenz in Kiev Standing Ovations der internationalen Presse; es wird beim Empfang am Quirinale heute Abend  in Rom nicht ander sein. Cesare Prandelli ist das neue Gesicht Italiens und zugleich Gesicht eines neuen Italien.
Foto: AFP

Andrea Pirlo: il cucchiaio

Bei jedem Juxkickerl wäre es frech, einen Elfmeter so zu schießen wie dies Andrea Pirlo gestern Abend zeigte:
http://www.youtube.com/watch?v=On-2eRrv7QI

Pirlo erlaubte sich den Spaß mit einem Schupfer („cucchiaio“) freilich im Viertelfinale der Fussball-Europameisterschaft, nach dem berühmten Vorbild von Antonin Panenka im EM-Finale 1976. Allein für diesen genialen Moment haben die Italiener den Europameistertitel verdient.
Foto: dapd

Pessoa Lounge

Die Pessoa Lounge in der Favoritenstrasse zählt zu den angenehmsten Lokalen der Stadt. Und sie ist ohne Zweifel der beste Ort in Wien, um Spiele der portugiesischen Nationalmannschaft zu verfolgen. Weder im Lokal noch im Garten – im stimmungsvollen Innenhof des Barockpalais Erzherzog Carl-Ludwig gelegen – ist beim heutigen Viertelfinale Portugal gegen Tschechien ein Platz frei geblieben. Deutlich mehr als 100 zufriedene Fans sangen nach dem Schlusspfiff Cristiano-Ronaldo-Chöre. Die portugiesische Mannschaft steht als erste im Semifinale des Turniers.
 

Koreny/Eckert/Obonya: Ein Abend für Hermann Leopoldi

Hermann Leopoldi, 1888-1951, in Meidling geborener Komponist, Kabarettist und Sänger, war einer der großen österreichischen Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein unzweifelhaftes Genie verschaffte ihm früh große Popularität – die ihn vor der Deportation ins KZ durch die Nazis nicht retten konnte. Von seiner Frau freigekauft, emigrierte Leopoldi in die USA, wo er ebenfalls sofort zum Star avancierte. Als einen der wenigen Künstler lud ihn das Nachkriegsösterreich zur Rückkehr nach Wien ein. 
Hermann Leopoldi hinterließ Melodien, die unsterblich sind: In einem kleinen Café in Hernals, I´ bin a stiller Zecher, Schnucki, ach Schnucki und Schön ist so ein Ringelspiel sind nur einige Beispiele. Dem Fussballstar Josef Uridil setzte Leopoldi mit dem Gassenhauer Heute spielt der Uridil ein Denkmal. Die Texte von Leopoldis Werken haben einen hohen Wiedererkennungswert; selten kommt die deutsche Sprache in Liedern so verspielt und weich daher. Mit Die Novaks aus Prag hat Leopoldi das Unglück der jüdischen Emigranten, die vor dem Nazi-Horror flüchteten, zärtlich musikalisch beschrieben.
Und doch läuft Hermann Leopoldi Gefahr langsam in Vergessenheit zu geraten. Bela Koreny, Andrea Eckert und Cornelius Obonya haben dem nun mit einem grandiosen Programm entgegengewirkt, dem viele Aufführungen zu wünschen sind!
Foto: www.wien.gv.at

Zeitzeugengespräch mit Gert Hoffmann

Gert Hoffmann, geb. 1917, war bereits in den 1930er-Jahren politisch aktiv und im Widerstand gegen den Austrofaschismus. Ab 1933 wurde
er mehrmals verhaftet, im Februar 1938 amnestiert. Am Vorabend des Einmarsches der
Nationalsozialisten in Wien war er unter denen, die zum Widerstand gegen die
Besetzung aufriefen. 1938 emigrierte er in die damalige Tschechoslowakei und
von dort nach Spanien, um mit den Internationalen Brigaden am Kampf für die
Spanische Republik teilzunehmen. 1939, nach der Niederlage in Spanien,
verbrachte Gert Hoffmann mehrere Jahre in französischen Internierungslagern,
arbeitete im inzwischen von der Wehrmacht besetzten Frankreich bis 1943 als
Landarbeiter und Holzfäller und kämpfte bis Kriegsende im französischen
Widerstand.

Gert Hoffmann
wurde nach der Befreiung in die US Army aufgenommen und war unter den ersten
Befreiern, die Deutschland betraten. Er kehrte nach Kriegsende nach Österreich
zurück. In den 1970er Jahren gründete er ein kleines Gewerbeunternehmen,
engagierte sich gleichzeitig in Kuba und Nicaragua
als Entwicklungshelfer.

Gert Hoffmann hat seine bewegte Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch „Barcelona, Gurs, Managua – Auf holprigen
Strassen durch das 20. Jahrhundert“ ist ein faszinierendes Zeitdokument.

Am 14. Juni 2012, um 11 Uhr, kommt Gert Hoffmann zu einem Zeitzeugengespräch an die Wiener Handelsakademie ibc in der Hetzendorfer Strasse 66-68. Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit von ibc und Bezirksgericht Meidling statt.




Geleitwort zur
Veranstaltung
Die Zeit des Nationalsozialismus markiert den dunkelsten Abschnitt der
österreichischen Geschichte. Das bis heute in Worte nicht fassbare Ausmaß der
Verbrechen des NS-Regimes bleibt für Staat und Gesellschaft auch in Zukunft
Mahnung und Herausforderung zugleich. Die Lehre aus der Geschichte kann für die
Republik Österreich nur darin liegen, alle Anstrengungen zu unternehmen,
Frieden und Demokratie zu erhalten. Justiz und Schule kommt dabei zentrale
Bedeutung zu: ist es doch die klassische Aufgabe der Justiz, den Rechtsfrieden
zu bewahren, die Fähigkeit unter Beweis zu stellen, kleinere und größere
Konflikte gewaltfrei zu lösen. Und klassische Aufgabe der Schule, der Jugend
die Voraussetzungen eines demokratischen und friedlichen Miteinanders zu
vermitteln, junge Menschen zu kritischen, selbstbewussten Bürgerinnen und
Bürgern zu erziehen.
Aus diesen Gründen ist es für mich naheliegend, dass Justiz und Schule bei
Demokratieprojekten zur Zusammenarbeit berufen sind. Und nachdem ich im
Dezember 2011 erstmals über Gert Hoffmann in der Tageszeitung KURIER gelesen
hatte, war es zur Idee einer Veranstaltung an einer Wiener Schule kein weiter
Weg. Ich besorgte mir die Autobiographie Gert Hoffmanns, kontaktierte ihren
Autor und durfte ihn in seiner Heimatgemeinde Markt Piesting in
Niederösterreich besuchen. Gert Hoffmann vereinigt in sich all das, was die
Demokratie, gerade heute, so dringend benötigt: solidarisches, internationales
Denken, Toleranz und Respekt vor anderen – und Kampfgeist und Leidenschaft für
diese demokratischen Werte.  
Gert Hoffmann gehört zu den letzten Überlebenden der Grauen von Weltkrieg
und Faschismus: deshalb ist es so wichtig, dass junge Menschen Gelegenheit
haben, ihm zuzuhören, ihm Fragen zu stellen. Kein Buch, kein Film kann so
eindringlich und authentisch vermitteln, was Zeitzeugen wie Gert Hoffmann aus
eigener Erfahrung berichten.
In diesem Sinne danke ich der Wiener Handelsakademie ibc für das
Zusammenwirken bei dieser Veranstaltung. Der Dank gilt im weiteren natürlich vor
allem Gert Hoffmann, aber auch seinen Töchtern Cornelia Hoffmann und Marion
Hoffmann, die bei der Vorbereitung der Veranstaltung maßgeblich mitgeholfen
haben. Verbunden bin ich auch Sergio Barizza und der Vereinigung Terra Antica in Venedig, die Gert
Hoffmann 2009 eingeladen hatten und die nachfolgend abgedruckten Texte damals
in einer Broschüre zusammengeführt haben. Anlass der Einladung an Gert Hoffmann
war die italienische Festa delle
liberazione (Fest der Befreiung)
– in Österreich erinnert uns der Begriff
daran, dass das Jahr 1945 viel zu wenig als Jahr der Befreiung im Bewusstsein
verankert ist, und dass die amerikanischen, französischen, englischen und
russischen Soldaten in eben dieser Eigenschaft nach Österreich kamen: als
Befreier. Und auch für Gert Hoffmann hat die liebevoll gestaltete Broschüre der
Terra Antica die treffendste
Charakterisierung gefunden: Gert Hoffmann – ein europäischer Antifaschist. 
Dr. Oliver Scheiber,
Vorsteher des Bezirksgerichts Meidling