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Für eine echte Medienreform läuft die Zeit davon (Der Standard, 18.11.2025)

Medienminister Andreas Babler (SPÖ) hat zuletzt Reformen bei der Medienförderung angekündigt, bei denen „kein Stein auf dem anderen“ bleiben dürfe. Er öffnet damit ein Zeitfenster. Denn in allen drei Regierungsparteien gibt es Entscheidungsträger, die die Bedeutung und Sensibilität des Themas erkannt haben. Gelingen könnte eine große Reform im Schulterschluss zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Die zivilgesellschaftliche Initiative „Acht Tische für die vierte Gewalt“ hat vergangene Woche Fachleute, Stakeholder und Politikerinnen wie Politiker zusammengerufen. Die Tagung könnte der Auftakt zu einer gemeinsamen Anstrengung sein.

Collage-Stil-Illustration mit vier stilisierten Händen im Halftone-Design, die verschiedene Objekte wie eine Sprechblase, ein Fragezeichen und einen Stift halten oder darauf zeigen. Umgeben von geometrischen Elementen wie einem Gitterball und Linien, die Kommunikation, Planung und Teamarbeit symbolisieren. Hintergrund in neutralen Grautönen.
Wie steht es um Österreichs Medien? Wo bräuchte es Reformen?
Getty Images/Natalya Kosarevich

Worum geht es? Die Demokratie ist in Österreich genauso gefährdet wie in den meisten anderen verbliebenen demokratischen Staaten der Welt. Jahr für Jahr nimmt die Zahl der Demokratien ab. Fragen wie Resilienz und Institutionenstärkung gewinnen an Bedeutung. Der demokratische Rechtsstaat baut auf der Gewaltenteilung auf. Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit kontrollieren einander wechselseitig. Dieses System der Checks and Balances soll dafür sorgen, dass niemand allein so viel Macht erlangt, das demokratische System zu zerstören.

Medien üben eine so wichtige Informations- und Kontrollfunktion (Public Watchdog) aus, dass man sie meist als vierte Gewalt zu den Staatsgewalten zählt. Nicht umsonst richten autoritäre Regime ihre ersten Angriffe nicht nur gegen die Justiz, sondern auch gegen unabhängige Medien. Für Medien gilt freilich dasselbe wie für die anderen Staatsgewalten: Sie brauchen staatlichen Schutz, ihre Förderung wiederum bedarf klarer Regelungen.

Klassische Grundlage

Der jüngste Stellenabbau bei mehreren Medienhäusern unterstreicht die Krise der Medienszene und den Handlungsbedarf für die Politik. In Österreich erhalten Medien zwar auf unterschiedlichen Wegen höhere Millionenbeträge jährlich. Dennoch könnte die Medienlandschaft vielfältiger sein; es gibt wenig regionalen Journalismus; der Transformationsprozess zu digitalen Formaten hin verläuft langsam. Die Politik hat ein System wachsen lassen, in dem der überwiegende Teil der öffentlichen Mittel nicht in Form der Förderung von Qualität auf Basis bestimmter Kriterien zugeteilt wird, sondern im Wege recht frei vergebener Inserate öffentlicher Stellen (Stichwort „Regierungsinserate“).

Folge ist eine wechselseitige Abhängigkeit von Politik und Medien, die, neben allem anderen, für beide Seiten unwürdig ist: Die Politik kauft sich das Wohlwollen von Medien. Abhängigkeit ist eine klassische Grundlage für Machtmissbrauch und Korrumpierbarkeit. Wer im schlechten System nicht mitspielt, den versucht man zu beschädigen.

Qualität und Vielfalt

Zusammengefasst bleibt: Österreich investiert seit Jahren viel Geld in Medien; die aufgewendeten Mittel schaffen aber zu wenig Qualität und Vielfalt, sie sichern nicht einmal die Existenz von Qualitätsmedien. Eine im November vorgestellte Studie zeigt zudem: Nur eine Minderheit der Bevölkerung vertraut den meisten Medien, eine Mehrheit wünscht sich Maßnahmen zur Stärkung der Medienunabhängigkeit.

Die aktuelle Regierung hat die Inserate der Bundesministerien radikal zurückgefahren. Im ersten Halbjahr floss deutlich weniger Geld als im ersten Halbjahr 2024; einzelne Ministerien wie das Finanzministerium reduzierten Inserate um mehr als 90 Prozent. So sinnvoll das ist, es ersetzt Gesetzesanpassungen nicht, denn eine spätere Regierung könnte die Inseratenausgaben sofort wieder hochfahren. Demokratiepolitisch zweckmäßig wäre eine gesetzliche Begrenzung von Regierungsinseraten auf niedrigem Niveau und die Umleitung der Gelder in eine Medienförderung, die Vielfalt und Qualität zum Ziel hat und die Transformation zu den neuen digitalen Formaten und Start-ups unterstützt.

Eine bunte Landschaft kritischer, kleiner und großer Onlinemedien, Newsfluencer, Podcasts und Rechercheplattformen wird für die Stabilität der Demokratie künftig eine Schlüsselrolle spielen. Daneben muss im Blick bleiben, dass ein starker und von der Regierung unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für die Demokratie unabdingbar ist.

Damit ist das eine Aufgabenfeld der Regierung umrissen. Dazu kommt aber eine zweite Ebene: Für die Willensbildung der Bevölkerung spielen Social Media eine immer größere Rolle. Kampagnen auf Twitter, Tiktok oder Instagram haben das Potenzial, das Wahlverhalten der Bevölkerung entscheidend zu beeinflussen. Eine politische Agenda eines Plattformbetreibers in Verbindung mit dem Einsatz von Algorithmen schafft neue Möglichkeiten der breiten, gezielten Desinformation und der Zerstörung des demokratischen Systems. Der Einsatz von Algorithmen und das Betreiben von Social-Media-Plattformen bedürfen klarer gesetzlicher Vorgaben. Da derzeit hochmonopolisierte, weltweit agierende Plattformen dominieren, muss die Schaffung europäischer Plattformen ein weiteres Ziel sein; der Medienminister hat kürzlich eine entsprechende Initiative auf EU-Ebene eingebracht.

Wenig Zeit

Reform der Medienförderung, Regulierung von Social-Media-Plattformen und des Einsatzes von Algorithmen: Für die Regierung verbleibt wenig Zeit, hier eine grundlegende Neuordnung zur Sicherung der Demokratie in Österreich zu schaffen. „Geborgte Zeit“ nennt die Politologin Maria Mayrhofer in einem gleichnamigen Essay diese wenige Zeit, jene Atempause, die Österreich durch die Bildung der Dreierkoalition im März 2025 erhalten hat. Sie gehört genutzt. (Oliver Scheiber, 18.11.2025)

Gastkommentar für den falter.at: Die neue Regierung ist ein kleines Wunder. Und ein großer Auftrag.

Die Stärkung der Institutionen ist die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre – daran sollten sich Viele beteiligen

von Oliver Scheiber
Dreier-Koalitionäre Andreas Babler (SPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos), Christian Stocker (ÖVP) – v.l.n.r.© APA/Roland Schlager

 

Österreich hat eine neue Regierung, mit einem respektablen Programm und starken Persönlichkeiten. Das ist, in einer Phase, in der weltweit Demokratien kippen und autoritäre Bewegungen an die Macht kommen, ein kleines Wunder. In vielen Ländern befinden sich die konservativen wie auch sozialdemokratischen Traditionsparteien in der Krise, sind zum Teil bereits untergegangen oder unbedeutend geworden – Italien oder Frankreich sind Beispiele dafür. Es hat sich gezeigt, dass die Lücken hinter diesen Sammelparteien nicht von demokratischen Kräften gefüllt werden, sondern in der Regel von neuen Bewegungen, die zu autoritärem Agieren und Regieren neigen. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass sich das demokratische System aktuell nur dann stabilisieren lässt, wenn sich konservative wie sozialdemokratische Traditionsparteien erneuern.

Die letzten Wochen der österreichischen Innenpolitik Wochen lassen sich vorsichtig positiv beurteilen. Während sich in unmittelbarer Nachbarschaft – in Ungarn, Serbien und der Slowakei, in Italien ist die Lage noch widersprüchlich – zuletzt autoritäre oder zumindest autoritär gesinnte Regierungen etablieren konnten, schaffte Österreich doch die Wendung hin zur Regierung der Mitte.

Die Prozesse der letzten Wochen lassen sich auch als Resilienz des österreichischen demokratischen Systems lesen. Der Schock des radikalen Umbaus der USA ab dem Amtsantritt von Donald Trump hat die Bildung einer Mitte-Regierung sicher begünstigt. Trump hat der Welt vorgeführt, wie rasch sich zum Teil Jahrhunderte lang gewachsene demokratische Institutionen zerschlagen lassen. Zur Bildung der Mitte-Regierung in Österreich haben aber auch zivilgesellschaftliche Proteste und Initiativen gegen eine FPÖ-geführte Koalition beigetragen; die Warnungen und Positionierungen prominenter ehemaliger Politiker:innen, einzelne Zeichen wie der Appell am Titelblatt des Falter und starke Texte angesehener Kommentator:innen.

Die erfolgte Regierungsbildung ist aber auch eine Leistung der handelnden Akteure und Hinweis auf einen Erneuerungsprozesses von ÖVP und SPÖ. Nach vielen Volten wählte Christian Stocker im entscheidenden Moment doch den Kompromiss im Sinn der Werte der Zweiten Republik. Die Regierungserklärung Stockers vom 7. März hat durch die Bezugnahme auf die Gründung der Zweiten Republik und gemeinsame historische Erfolge von ÖVP und SPÖ, wie den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, die ÖVP wieder als staatstragende Partei der Mitte definiert. Die unaufgeregte Führung Stockers gibt der ÖVP die Chance, diese Periode auch zur Rückbesinnung auf ihre traditionellen Stärken zu nutzen, zu einer konstruktiven Europapolitik zurückzufinden und die Rolle der Sozialpartnerschaft neu wertzuschätzen.

Andreas Babler wiederum steht noch viel mehr für einen innerparteilichen Erneuerungsprozess. Babler hat die Partei unter anderem für Expertinnen und Experten im größten Umfang seit der Ära Kreisky geöffnet. In den Landeshauptstädten sind die Erfolge des sozialdemokratischen Erneuerungsprozesses bereits sichtbar. In Salzburg, Linz und Innsbruck sind neu gewählte, jüngere, moderne sozialdemokratische Politikerinnen erfolgreich. Damit steht Babler in der ersten Reihe europäischer Erneuerer der Sozialdemokratie; der österreichische Reformprozess ist mit jenem des italienischen Partito Democratico vergleichbar, den Elly Schlein einige Wochen vor Babler im März 2023 eingeleitet hat und die mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen hat wie Babler. In Bablers Regierungsteam finden sich Persönlichkeiten, die an prägende sozialdemokratische Politiker:innen der letzten Jahrzehnte anknüpfen. Das starke Regierungsteam ist im Übrigen eine Parallele zum Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der wohl einen erheblichen Anteil am Zustandekommen der aktuellen Regierung hat.

Die kleineren Parteien haben Ihren Anteil zur Stabilisierung des Landes ebenfalls geleistet. Die Neos durch ihren Regierungseintritt, die Grünen durch die offensive Unterstützung der Bildung einer Regierung, von der sie wussten, dass sie ihr wohl nicht angehören werden. Umso bemerkenswerter ist der leidenschaftliche Einsatz Werner Koglers für eine Mitte-Regierung in den letzten Wochen.

Die Bildung einer Regierung der Mitte verschafft dem Land eine Atempause, die sich viele andere Staaten wünschen würden. In der weltweiten Demokratiekrise erhält Österreich die Chance, das System der checks and balances, also der wechselseitigen Kontrolle staatlicher Institutionen und Akteure, zu verbessern. Die zentrale Aufgabe dieser Regierung muss es sein, jene Institutionen, die für Demokratie und Rechtsstaat entscheidend sind, zu stärken und gegen mögliche Angriffe autoritärer Bewegungen abzusichern.

Der von der Regierung vorgesehene Konvent bildet einen möglichen Rahmen für eine Verfassungsreform, die Parlament, Medien und Justiz stärken müsste. Das Parlament könnte durch den Aufbau eines großen Rechtsdiensts in seiner Unabhängigkeit gegenüber der Regierung gestärkt werden. Zur Stärkung der Medienvielfalt und des öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es in Österreich schon Ideen und Vorschläge von Expertenseite. Das gilt auch für Verwaltungsreformen und die geplante Jahrhundertreform der Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft, die die Staatsanwaltschaften endlich unabhängig von der jeweiligen Regierung macht.

Schließlich geht es um den Bestellmodus hoher Organe, etwa der Verfassungsrichter/innen. In den letzten Jahren hat zudem die Regierung hohe Funktionen, wie etwa die Leitung des Bundesverwaltungsgerichts oder der Bundeswettbewerbsbehörde, lange unbesetzt gelassen. Für diese Problematik des Untätigseins gilt es eine Lösung zu finden. Eine von mehreren denkbaren Varianten wäre es, dass in solchen Fällen der Bundespräsident an Stelle der Regierung mit der Auswahl einer Person aus den vorgeschriebenen Besetzungsvorschlägen betraut wird.

Der Erfolg der Regierung wird im Wesentlichen davon abhängen, ob Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger im Alltag schnell sichtbar werden. Im Justizbereich geht es etwa vor allem darum, den Zugang zum Recht einfacher zu machen. Österreich verfügt über moderne Gesetze, aber es ist oft zu kompliziert, zu teuer oder zu schwierig, die eigenen Rechte durchzusetzen. Moderne Servicecenter und die Möglichkeit, Anträge unkompliziert mündlich zu Protokoll zu geben, und die Ausdehnung der durch Verfahrenshilfe unterstützten anwaltlichen Vertretung können hier Abhilfe schaffen und für die Bevölkerung sichtbare Erleichterungen bringen.

Die Regierungsspitzen haben in ihren ersten Erklärungen oft die Worte „Zuversicht“ und „Konsens“ verwendet. Im Idealfall werden diese Begriffe am Ende eine taugliche Zusammenfassung der Regierungsperiode darstellen. Breite Beteiligungsprozesse und ein Zugehen der Regierung auf die Zivilgesellschaft sind ein Weg dahin. Viele Bürgerinnen und Bürger, die politisch interessiert sind und etwas einzubringen haben, sollten umgekehrt die Bemühungen der Politik der letzten Monate und die Leistung der Bildung einer Regierung der Mitte dadurch würdigen, dass sich ganz viele Menschen in gesellschaftliche und politische Prozesse einbringen – auf allen Ebenen: in der Gemeinde, am Arbeitsplatz, in den vielen Dienststellen der Verwaltung, nicht zuletzt auch durch temporäre oder dauerhafte Mitarbeit in Initiativen und in den konstruktiven politischen Kräften. Österreich hat in den letzten Monaten regelrecht um Demokratie und Gemeinsamkeit gerungen; dass dieses Ringen erfolgreich war, sollte dem ganzen Land Auftrieb geben.

Oliver Scheiber ist Richter und Publizist in Wien. Er war Mitinitiator von Antikorruptionsvolksbegehren und der Initiative „Bessere Verwaltung“.

Capodanno

Jahreswechsel in Palermo. Vor wenigen Wochen wurde in Siziliens Hauptstadt Italiens stellvertretender Ministerpräsident Salvini nach langer Strafverhandlung vom Vorwurf der Freiheitsberaubung und des Amtsmissbrauchs freigesprochen. Der Staatsanwalt von Palermo hatte Salvini angeklagt, nachdem dieser 2019 als damaliger Innenminister ein Rettungsschiff mit Flüchtlingen über Wochen nicht in einen italienischen Hafen einlaufen hatte lassen. Der Fall zeigt das Ringen um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, das für unsere Zeit so kennzeichnend ist. Nicht nur Politiker werden in Italien immer wieder wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt, sondern auch Flüchtlingshelfer:innen wegen Schlepperei. In Italiens Justiz sind unterschiedliche Zugänge vertreten, und das Land hat ein hohes Niveau an rechtswissenschaftlichem Diskurs und Strafrechtskultur. Das verschafft der Justiz gerade im Süden Ansehen in der Bevölkerung: der Flughafen von Palermo ist nach den 1992 ermordeten Mafiaermittlern Paolo Borsellino und Giovanni Falcone benannt. Fotografien der beiden Richter finden sich in den meisten Justizgebäuden Siziliens, an Hausmauern und in vielen Wohnungen. Seit einigen Jahren gibt es im Zentrum Palermos ein No-Mafia-Memorial mit angeschlossenem Museum. Eine zivilgesellschaftliche Initiative.

In Italien stehen Rechtsstaat und Demokratie aktuell auf der Probe. Die letzten Wahlen haben eine Mehrheit rechter und rechtsextremer Parteien gebracht. Ministerpräsidentin Meloni versucht nun, mit freundlicher Miene Richtung Brüssel, das Land autoritär umzubauen: durch gezielte Schwächungen der Justiz, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, freier Medien und zivilgesellschaftlicher Aktivitäten und durch die bewusste Überschreitung menschenrechtlicher roter Linien.

So stark Italiens Institutionen sich in der Vergangenheit erwiesen haben, etwa im Widerstand gegen autoritäre Umbaupläne des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi, zu Jahresbeginn 2025 befindet sich Österreich in der besseren politischen Situation. Mit dem eigenen Land ist man, auf Grund der emotionalen Bindung, meist kritischer als mit anderen Staaten. Mit ein bisschen Distanz wird der Blick milder. Ein „Wiener“ Neujahrskonzert am Politeama Garibaldi-Konzerthaus von Palermo trägt dazu bei. Am 1. Jänner leitet hier der Wiener Dirigent Peter Guth das Symphonieorchester Siziliens. So kann man am Neujahrstag in Palermo ua die Strauss-Polka „Im Krapfenwald`l“ hören und, zum Abschluss des Konzerts, den Donauwalzer. Das Konzert ist nicht nur Beleg des Erfolgs österreichischer Kultur, sondern auch des Zusammenwachsens Europas, des Entstehens einer europäischen Identität. Wenn so oft von Krisen die Rede ist, sollen wir das Positive nicht übersehen. Die europäische Einigung hat den beteiligten Ländern bereits 80 Jahre Frieden gebracht.

2025 feiert Österreich nicht nur 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern auch 30 Jahre Zugehörigkeit zur Europäischen Union. In 20 Jahren, so wollen wir hoffen, wird Österreich 100 Jahre durchgehender Demokratie begehen können und dann die Hälfte dieser Zeit eingebettet in ein gemeinsames Europa verbracht haben.

Die Errichtung der Zweiten Republik wie auch der Beitritt zur Europäischen Union war wesentlich von den beiden Traditionsparteien ÖVP und SPÖ getragen. Ihr Zusammenwirken hat Österreich diese lange Periode der Demokratie gesichert. Das sollte man in Zeiten, wo jedes Jahr mehrere Staaten vom demokratischen ins autoritäre Regime kippen, schätzen. Man konnte in der Vergangenheit einiges am politischen Kurs von Bundeskanzler Nehammer kritisieren; im entscheidenden Moment nach der Wahl vom September 2024 hat er eine unbeugsame demokratische Haltung bewiesen und der Versuchung einer einfachen Regierungsbildung mit der extremen Rechten widerstanden. Das verdient Respekt; dieselbe Wertschätzung gilt den weiteren Regierungsverhandlern Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger, die sich mit Nehammer um eine Regierung der politischen Mitte bemühen. Eine solche Koalition ist, von einer Minderheitsregierung abgesehen, die einzige verantwortungsvolle politische Option.

Das Weltgeschehen ist aktuell von oft skrupellosen Populisten bestimmt, die Frieden, Demokratie und Rechtsstaat gefährden, verspielen und nicht selten bewusst zerstören. Lange Regierungsverhandlungen sind da im Vergleich kein Unglück und langweilig wirkende Politik ist oft die bessere – Österreich sollte es nach den Erfahrungen mit seinen begabten Populisten wissen.  Die Hoffnung auf gute politische Jahre ist intakt, machen wir etwas daraus.