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Die Verwaltung ist in der Krise. Eine Chronik.

Noch vor etwa 30 Jahren war die Verwaltung des Bundes geprägt von einem etwas altmodischen Beamtenethos, das gelegentlich Reformen allzu sehr bremste, aber insgesamt für eine hohe Qualität der Verwaltungsarbeit und für Stabilität im Staat sorgte. Die Beamt:innen aller Ebenen fühlten sich dem Wohl der Republik verpflichtet. Die höchsten Beamten, die Sektionschefs und Sektionschefinnen, waren unbefristet bestellt. Dies gab ihnen Unabhängigkeit und Selbstwert. Hatten sie gegen Pläne eines Ministers/einer Ministerin rechtliche oder sonstige Bedenken, so sprachen sie diese aus. Sie nahmen oft eine wichtige Warn- und Mahnfunktion ein, mahnten das Staatswohl ein und konnten oft Nachdenkphasen vor unüberlegten politischen Plänen erwirken.

Das änderte sich mit der Befristung der Sektionschefverträge auf fünf Jahre. Sektionschefs und Sektionschefinnen haben nun permanent die Schere im Kopf: sie arbeiten letztlich ständig auf die Verlängerung ihres Vertrages hin, der mit viel Prestige und Geld verbunden ist. Sie widersprechen Ministern und Ministerinnen kaum mehr, werden oft zu unkritischen Unterstützern jeder noch so undurchdachten tagespolitischen Aktion, umso mehr, wenn sie direkt aus dem Ministerbüro in ihre Funktion ernannt wurden. Denn parallel zur Befristung der Sektionschef:innen wuchsen auch die Ministerbüros an: bis zu 25 Personen arbeiten heute in Ministerbüros. Es entsteht eine Parallelstruktur zum eigenen Ministerium. Für die Tätigkeit im Ministerbüro gibt es keine Voraussetzungen oder Standards. Aus den Ministerbüros werden laufend Personen in Spitzen- und Leitungsfunktionen der Verwaltung ernannt, ohne die dort üblichen (und auch erforderlichen) Erfahrungen gesammelt und Prüfungen abgelegt zu haben. Eine ganze Heerschar von Personen mit reiner Parteikarriere ist in den letzten 20 Jahren in die Verwaltung eingesickert. Viele von ihnen fühlen sich mehr einem Minister/einer Ministerin oder einer Partei verpflichtet als der Verfassung oder Republik. Diese Personen nehmen Beamt:innen mit Erfahrung und Qualifikation Karrieremöglichkeiten und tragen zu einer breiten Demotivation im öffentlichen Dienst bei. Mittlerweile kommt die Mehrzahl der Sektionschef:innen direkt aus Ministerbüros. Den Spitzenbeamt:innen fehlt damit oft die langjährige Erfahrung innerhalb der Verwaltung.

Es gibt Jobausschreibungen, Verfahren und Kommissionen, aber es sind oft nur Alibiverfahren. Alle wissen, dass vor allem Willfährigkeit belohnt wird, kritische Stimmen gibt es kaum mehr oder sie gehen in die innere Emigration. Der Verwaltung fehlt die Selbstreflexion, die Qualität rasselt nach unten. Mitunter bewerben sich kaum mehr Personen für Spitzenjobs, weil sie (oft zu Recht) annehmen, dass ohnedies alle parteipolitisch ausgedealt sei. Die Politik wiederum lässt je nach Laune wichtige Funktionen lange unbesetzt, oder besetzt absichtlich mit Personen kurz vor der Pension, um bald wieder neu besetzen zu können, oder taktiert auf sonstige Weise mit sensiblen Positionen. Wer die früheren Sektionschefs der 1980er- und 1990er-Jahre kannte, die Strategien und Visionen für ihre Ministerien für zehn bis zwanzig Jahre im Voraus entwarfen, der sieht den intellektuellen Abstieg, der hier eingetreten ist. Die Masse der Beamt:innen wird nahezu wöchentlich mit Compliance- und Antikorruptionsregelungen geflutet und muss zusehen, wie sich auf politischer und oberster Ebene eine Alles-geht-Mentalität unbehindert breit macht. Die Politik trägt mit ihrem Agieren stark zur Demotivation bei: Minister:innen und ihre Kabinette vermitteln den Eindruck, dass es vor allem um Content für social media geht. Der hohe Zeitaufwand, der von Minister:innen und ihren Mitarbeiter:innen mittlerweile in die tägliche Produktion von Inhalten für social media gesteckt wird, verhindert oft eine seriöse Sacharbeit. Sie schwächt zugleich massiv das Vertrauen der Beamt:innen im Haus, die den Respekt vor der zunehmend showartig agierenden Ressortspitze verlieren.

Zwischenzeitig wird der Niedergang der Verwaltung des Bundes immer deutlicher sichtbar. In fast allen Ministerien finden sich dafür Beispiele: das Corona-Chaos im Gesundheitsministerium, der Spionageskandal, die Pannen vor dem Wiener Terroranschlag und die Defizite im Flüchtlingsmanagament im Innenministerium, die Turbulenzen im Strafrechtswesen im Justizministerium, das Kaufhaus-Österreich-Projekt im Wirtschaftsministerium.

Wie es anders ginge zeigen in den letzten Jahren vor allem Untersuchungskommissionen nach § 8 Bundesministeriengesetz. Sie werden dann eingesetzt, wenn viel schiefgelaufen ist. Dann holt man Personen wie Irmgard Griss, Ingeborg Zerbes und Martin Kreutner. Und siehe da: diese der Republik verpflichteten Expert:innen liefern mit einer Handvoll von Fachkräften binnen Wochen starke Analysen und Vorschläge für Reformmaßnahmen (Hypo-Kommission, Terror-Kommission, Kindeswohlkommission usw). In der regulären Verwaltung wären solche Personen schon lange nicht mehr gefragt: zu eigenständig denkend, zu wenig anpassungsfähig, zu lästig.

Es wird viele Jahre brauchen, um die Qualität der Verwaltung wieder zu heben. Nötig wird eine Bundesregierung sein, die sich einig ist, nur die besten Beamt:innen in Spitzenfunktionen zu bringen. Die Zahl der Mitarbeiter:innen in den Ministerbüro muss beschränkt werden – etwa nach dem Vorbild der EU-Kommission auf sechs Personen. Der Zugang zum öffentlichen Dienst sollte mit einem Prüfungssystem wie in Frankreich oder wie in der EU verbunden sein, damit nicht willkürlich externe Personen in hohe Verwaltungsfunktionen gesetzt werden können. Es müssen Maßnahmen gesetzt werden, um wieder ein Berufsethos des öffentlichen Dienstes zu begründen. Das Antikorruptions-Volksbegehren und die Initiative Bessere Verwaltung haben viele Vorschläge für dringende Reformen der Verwaltung erarbeitet.

https://www.wienerzeitung.at/h/selbstverblodung-des-staates

https://www.wienerzeitung.at/h/die-hohen-kosten-der-banalisierung-des-regierens

www.bessereverwaltung.at

https://www.bmi.gv.at/411/Volksbegehren_der_XX_Gesetzgebungsperiode/Rechtsstaat_und_Antikorruptionsvolksbegehren/start.aspx#pkt_01

Kreutner/Mayer/Scheiber: Der Vertrauensverlust der Bevölkerung droht

Gastkommentar für den Standard, 31. Juli 2023

Korruptives Verhalten, Freunderlwirtschaft, Tauschgeschäfte: Gewöhnt sich Österreich daran? Dabei ist Korruptionsbekämpfung zentral für die Absicherung des demokratischen Rechtsstaats

In ihrem Gastkommentar schreiben die Proponenten des Antikorruptionsvolksbegehrens Martin Kreutner, Heinz Mayer und Oliver Scheiber darüber, warum Antikorruptionsmaßnahmen in einem demokratischen Rechtsstaat notwendig sind.

Justizia
Die Regierung ist weiter uneins: Wann kommt das Informationsfreiheitsgesetz? Und wann eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft?
Foto: Imago / Viennaslide

Die Diskussion zu Antikorruptionsmaßnahmen hat in den letzten Jahren an Raum in der öffentlichen Diskussion gewonnen. Es ist zweifellos eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema gelungen. Auch wurden einige Reformschritte gesetzt. Aber: Die großen und entscheidenden Würfe stehen aus. Jüngste Entwicklungen deuten darauf hin, dass Österreich sich von internationalen Standards der Korruptionsbekämpfung eher wegbewegt.

Die angesehene Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (Greco) hat Österreich ab November 2021 intensiv geprüft. Der Evaluierungsbericht wurde im Dezember 2022 vom Europarat angenommen und enthält zahlreiche Empfehlungen an Österreichs Regierung, an das Polizei- und Justizsystem. Der Befund ist insgesamt kritisch ausgefallen. Vor allem macht der Bericht deutlich, dass strenge Antikorruptionsmaßnahmen für die Stärkung und Absicherung der Demokratie unabdingbar sind.

„Diskussionen der letzten Wochen und Monate lassen befürchten, dass man in Österreich allerorten beginnt, sich an korruptive Verhaltensweisen, an Freunderlwirtschaft und Tauschgeschäfte zu gewöhnen.“

Nachdem die Legislaturperiode langsam ausläuft, wäre es wichtig, über Schwerpunktsetzungen eines kommenden Regierungsprogramms nachzudenken. Für Österreich wären – alle nationalen und internationalen Experteneinschätzungen zeigen das – die Erlassung eines Transparenzgesetzes für die Verwaltung (Informationsfreiheitsgesetz) und die Verschiebung der Aufsicht über die Staatsanwaltschaften von der Justizministerin hin zu einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft mit Senaten vordringlich. Die Weisungsbefugnis der Justizministerin gegenüber den Staatsanwaltschaften bildet keinen zeitgemäßen Rahmen für Ermittlungen wegen Korruption und Wirtschaftskriminalität.

Diskussionen der letzten Wochen und Monate lassen befürchten, dass man in Österreich allerorten beginnt, sich an korruptive Verhaltensweisen, an Freunderlwirtschaft und Tauschgeschäfte zu gewöhnen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, weil eine solche Gewöhnung an korrupte Verhältnisse zwangsläufig einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in Staat und Verwaltung nach sich zieht. Dies wiederum hat eine Reihe negativer Auswirkungen, etwa auf Steuermoral, den Wirtschaftsstandort oder die Bereitschaft zur Teilnahme an demokratischen Wahlen.

Im Interesse der Republik

Die Aufdeckungen der letzten Jahre belegen, dass in Teilen der Regierung und obersten Verwaltung das verlorengegangen ist, was unter die Begriffe Gemeinwohlorientierung, Verfassungstreue und Beamtenethos fällt und für den demokratischen Rechtsstaat unabdingbar ist. Wer ein öffentliches Amt innehat, von dem ist zu erwarten, dass er sich strikt an den Interessen der Republik und an den Gesetzen orientiert. Persönliche Interessen, Interessen einer Partei, Wahlaussichten oder Freundschaften haben bei der Ausübung eines öffentlichen Amts nichts verloren.

Es ist – um bei Beispielen der letzten Zeit zu bleiben – wichtig, wieder bewusstzumachen, dass es in der Demokratie nie so sein darf, dass man durch eine Parteispende bei wichtigen Entscheidungen einen Fuß in der Tür hat oder ein Aufsichtsratsmandat erhält. Legitim ist es, einer Partei im Rahmen der Gesetze Geld zu spenden, um damit die demokratische Bewegung zu stärken, deren Zielvorstellungen und Werte man teilt und deren Ressourcen man stärken möchte. Die Verknüpfung einer Parteispende mit dem Wunsch, einen Posten im Aufsichtsrat, eine Jobmöglichkeit für einen Angehörigen oder einen Auftrag für das eigene Unternehmen zu erhalten, ist stets zumindest am Rande, meistens im Kernbereich des Korruptionsstrafrechts – mit gutem Grund, denn ein solches Verhalten schwächt Verwaltung, Demokratie und Staat.

Dass Politikerinnen und Politiker Posten im staatsnahen Bereich mit Freunden besetzen, darf nicht naheliegend oder üblich sein; vielmehr muss eine Freundschaft zu einem Bewerber als Interessenkonflikt und Befangenheitsgrund erkannt werden. Wo internationale Standards in dem Bereich liegen, macht der erwähnte Europaratsbericht deutlich, wenn er unter anderem fordert, „(I) dass detaillierte Regeln für die Art und Weise eingeführt werden, in der Personen mit Top-Exekutivfunktionen mit Lobbyisten und Drittparteien interagieren, die versuchen, Einfluss auf die gesetzgeberischen und auf andere Aktivitäten der Regierung zu nehmen; (II) dass ausreichende Einzelheiten über solche Treffen und Konsultationen offengelegt werden – z. B. die Identität der Person(en), mit der (und in deren Namen) das (die) Treffen stattfand(en) und die spezifischen Themen der Diskussion –, einschließlich der Veröffentlichung der Agenden der mit Top-Exekutivfunktionen betrauten Personen“.

Spezialausbildung notwendig

Nötige Sensibilisierungsmaßnahmen beginnen im Jusstudium und umfassen die Aus- und Fortbildung bei Polizei und Justiz. Für die Tätigkeit bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht das Gesetz bereits jetzt eine Spezialausbildung vor, verbunden mit einer entsprechenden gehaltsmäßigen Einstufung für die hochqualifizierte Tätigkeit. Dieses System sollte auf die bei anderen Staatsanwaltschaften mit Wirtschaftsgroßverfahren betrauten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ausgedehnt werden, aber auch auf die für Korruptions- und Wirtschaftssachen zuständigen Richterinnen und Richter. Jede Tätigkeit in diesem für die Demokratie wichtigen Bereich bedarf einer Spezialausbildung, die unter anderem die laufende Befassung mit internationalen Standards und Empfehlungen umfasst. In diesem Zusammenhang wäre die bereits andiskutierte Schaffung eines Spezialgerichts für Korruptions- und Wirtschaftsdelikte überlegenswert, um Kompetenzen und Ressourcen zu konzentrieren.

Die Zahl der weltweiten Demokratien nimmt derzeit von Jahr zu Jahr ab. Korruption und Wirtschaftskriminalität sind ein wesentliches Element, warum Demokratien in autoritäre Systeme kippen – siehe aktuell Israel. Korruptionsbekämpfung ist damit eine zentrale Maßnahme zur Absicherung unseres demokratischen Rechtsstaats. Diesen Gedanken bewusstzumachen und durch konkrete Maßnahmen umzusetzen wäre die Aufgabe der kommenden Regierungsverhandlungen. Aber auch für die derzeitige Regierung bliebe noch ein entsprechendes Zeitfenster. Man wird sehen. (Martin Kreutner, Heinz Mayer und Oliver Scheiber, 31.07.2023)

 

Die Korruptionsbehörden müssen lästig sein

Kommentar für den falter 50/20 vom 11.12.2020

In Wirtschaftsdelikten steht eine aufmunitionierte Verteidigung einer unzureichend dotierten Staatsanwaltschaft gegenüber. Nicht einmal Wlan im Gerichtssaal ist selbstverständlich. Dabei sichern Behörden wie die WStA die Demokratie im Land ab.

OLIVER SCHEIBER
MEINUNG, FALTER 50/20 VOM 11.12.2020

Die Staatsanwälte im BUWOG-Prozess Alexander Marchart und Gerald Denk | Foto: APA/Roland Schlager

Die Verurteilung in einem Strafverfahren wegen Wirtschaftskriminalität oder politischer Korruption hat in Österreich meist zufolge, dass die frisch verurteilten Personen in Massenmedien ein Forum finden. Dort legen sie in oft emotionsgeladenen Reportagen oder denkbar unkritisch angelegten Interviews ihre Sicht dar. Keine andere Tätergruppe erhält diesen Raum – tausende Menschen werden jedes Jahr in Österreich verurteilt, aber welcher nicht breit bekannte Manager oder Geschäftsführer, geschweige denn welcher Einbrecher oder Gewalttäter kann schon unhinterfragt seine Zweifel an Verfahren, Rechtssystem und Ermittlungen einem Massenpublikum ausbreiten. Dazu kommt, dass

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