Alle Beiträge von Oliver Scheiber

Korruption in Österreich: Karl Jurka und Mark Pieth im Gespräch

Man könnte glauben, dass zu den Korruptionsaffären der letzten Jahre bereits alles gesagt und geschrieben ist. Der Korruptionsmüdigkeit setzt der STANDARD diese Woche zwei spannende Interviews entgegen. Der Lobbyist Karl Jurka analysiert, welche Dinge in Wien „reingehen“, die in Deutschland undenkbar wären. Und er berichtet, dass das „abgekartete Buwog-Spiel“ bereits beim Opernball 2004(!) „das Ballgespräch“ gewesen sei. OECD-Korruptions-Experte Mark Pieth beschreibt Umgang und Haltung der heimischen Eliten zu korruptem Verhalten und weist am Rande auf das Phänomen hin, dass die Vorgänge rund um den Flughafen Wien nicht zentrales Thema der öffentlichen Deabtte sind.

Europäischer Gerichtshof verurteilt Italien wegen Massenzurückschiebung von Flüchtlingen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) korrigiert regelmäßig die Flüchtlingspolitik der EU. Vorletzte Woche verkündete der EGMR ein wichtiges Grundsatzurteil zur Abschiebung von Flüchtlingen. Dem Urteil liegen Geschehnisse aus dem Jahr 2009 zu Grunde:
Drei Gummiboote mit rund 200 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea wurden von Italiens Küstenwache vor der Insel Lampedusa in
internationalen Gewässern aufgespürt. Die Flüchtlinge, denen nach einer dreitägigen Reise das Trinkwasser fehlte, hofften, von der
Küstenwache auf das italienische Festland in Sicherheit gebracht zu werden. Tatsächlich wurden sie von den italienischen Behörden direkt nach Libyen überstellt.
In seinem Urteil legt der Gerichtshof Italien mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zur Last: den Flüchtlingen sei rechtswidrig die Möglichkeit genommen worden, Asyl zu beantragen, und sie wären durch die Zurückschiebung einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt worden. Regierungschef Monti hat umgehend angekündigt, die italienische Flüchtlings- und Abschiebepolitik zu überdenken. Auch andere Länder werden ihre Praxis der Entscheidung des EGMR anzupassen haben.
© Ettore Ferrari/dpa

Italien nimmt Abschied von Lucio Dalla

Heutzutage liegen vorbereitete Nachrufe für Personen des öffentlichen Lebens in den virtuellen Schubladen der Journalisten; nichts soll dem Zufall überlassen sein. Vom Tod Lucio Dallas wurden nicht nur die Medien, sondern vor allem auch die Italienerinnen und Italiener überrumpelt. Vor wenigen Tagen noch hatten sie Dallas gut gelaunten Auftritt beim Musikfestival von Sanremo im Fernsehen verfolgt. Lucio Dallas Tod beherrscht heute die Titelseiten der italienischen Zeitungen, die RAI brachte am Abend eine Sondersendung. Die breite Würdigung macht deutlich: hier ist einer gegangen, der Musikgeschichte geschrieben hat. Dalla gehört mit Celentano, Mina, Gianna Nannini und Paolo Conte zweifellos zu den ganz Großen der italienischen Musik der letzten Jahrzehnte. Lieder wie CanzonePiazza Grande, Caruso oder 4 Marzo 1943 werden noch lange gehört werden.
Dalla hatte eben erst eine internationale Tournee gestartet. Sie hätte ihn unter anderem nach Basel, Genf,
Lugano, Paris, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Luxemburg,
Stuttgart, München und Berlin führen sollen, an Orte, in denen er dreißig Jahre
zuvor schon aufgetreten war. Nach dem Auftritt in Montreux fand die Tour ihr Ende.
Lucio Dalla wäre kommenden Sonntag 69 Jahre alt geworden.
Foto: picture-alliance

Lebenskünstler

Rund 12% der Bevölkerung bzw. 993.000 Personen sind laut Statistik Austria in Österreich armutsgefährdet. Diese Statistik folgt einem europäischen Berechnungmodell, die Armutsgrenze liegt demnach in Österreich bei einem monatlichen Einkommen von 994 Euro bei einem Einpersonenhaushalt. Zu diesen armutsgefährdeten Menschen gehört offenbar, wie das Magazin NEWS diese Woche aufdeckt, auch der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Laut Einkommenssteuerbescheid
betrugen Grassers Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Jahr 2009 nach Abzug von diversen Sonderausgaben nur 1.126 Euro monatlich. Grasser zeigt, dass man, bei vernünftiger Einteilung, auch mit diesem geringen Einkommen ein würdiges Leben führen kann: zB einen 3,7 Millionen Euro-Wohnungskredit bedienen, einen der renommiertesten Strafverteidiger des Landes beschäftigen und die Frisur angemessen pflegen. Mit diesem wirtschaftlichen Geschick kann Grasser vielen als Vorbild dienen, und er bestätigt seine Qualifikation zum Finanzminister im nachhinein eindrucksvoll.
© Sergej Toporkov – Fotolia.com

Ariel Muzicant

Vor wenigen Tagen ist Ariel Muzicant als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien zurückgetreten. Muzicant hat sein Amt seit 1998 ausgeübt. Er hat die Finanzen der Kultusgemeinde geordnet, Restitutionszahlungen ausgehandelt und seine Haltung mit Leidenschaft und ohne faule Kompromisse, dafür kreativ vertreten. In der nicht übermäßig bunten Landschaft der öffentlichen Diskussion in Österreich ist Muzicant eine Lichtgestalt – das jüngste Interviews im Falter Nr 8/2012 zeugt davon (vgl. auch den Standard).
Foto: Reuters