Grundsätzliches zum System der Staatsanwaltschaften in Österreich anlässlich des Ibiza-Untersuchungsausschusses

Einige Gedanken anlässlich der heutigen Vernehmung der Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Ibiza-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments:
1) Die Kontinuität der Ermittlungsteams ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Aufklärung von politischer Kriminalität und Wirtschaftskriminalität. Die Bedeutung des Abgangs der führenden Ibiza-Ermittlerin im laufenden Verfahren kann man sich ausrechnen.
2.) Antikorruptionsbehörden dürfen und können nicht Liebkind der Regierenden sein. Sie sind der Bevölkerung verpflichtet und brauchen absolute Unabhängigkeit von den Regierenden.

3.) Das aktuelle Regierungsprogramm will den Staatsanwaltschaften mehr Unabhängigkeit in ihrer täglichen Arbeit einräumen. Der heutige Vormittag im Ibiza U-Ausschuss zeigt, wie wichtig und dringend das ist.
4.) Hintergrund zu alldem:
In der EU besteht nur in Österreich und Deutschland eine so hohe Abhängigkeit der Staatsanwaltschaften von der Regierung. Die Justizministerin ist weisungsbefugt gegenüber den Staatsanwaltschaften; gleichzeitig entscheidet sie auch über die Ernennungen, also die Karrieren, der Staatsanwält*innen.
Deutschland plant eine Neuordnung dieses Systems in Richtung mehr Unabhängigkeit.
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1995 ging das österreichische System gerade noch durch, heute wäre ein EU-Beitritt mit einem so angelegten Staatsanwaltschaftssystem undenkbar.
Staatsanwaltschaften könnte man ganz unabhängig stellen, denn ihre Entscheidungen bedürfen zum Teil ohnedies der Genehmigung der Gerichte (Untersuchungshaft, Hausdurchsuchung etc), der andere Teil ihrer Entscheidungen und Veranlssungen unterliegt der Nachprüfung durch Gerichte. Kontrolle ist also ausreichend vorhanden.
Das Berichts- und Weisungssystem wirkt extrem zeitverzögernd, demotivierend und schwächt die Ermittlungsbehörden. Anschauungsunterricht heute Vormittag im Parlament.
5.) Näheres zum Ausschusstag – (alle Zitate aus dem Standard-Liveticker):
‚Krisper (Neos) fragt und hält fest, dass sie Unterlagen aus dem Justizministerium urgieren musste. Ob Vrabl-Sanda Wahrnehmungen zu politischer Einflussnahme hat? Dazu kann sie nichts sagen in der Medienöffentlichkeit. Es gibt eine Stehung der Mandatare. Verfahrensrichter Rohrer erklärt: Es gibt ein „sehr junges Verfahren“ dazu, man habe daher noch keine Vorkehrungen treffen können. Es werde Konsultationsgespräche mit dem Ministerium geben. Der STANDARD hat im Justizministerium nachgefragt, ob es rund um den Vorwurf auf Einflussnahme im Ibiza-Verfahren etwa ein Verfahren gegen den Sektionschef Pilancek oder den Leitenden Oberstaatsanwalt Fuchs gibt. Dem Ministerium ist kein Verfahren bekannt, lautet die Antwort.‘
„Krisper will Näheres wissen, warum Vrabl-Sanda der Ansicht ist, dass die WKStA in in der Öffentlichkeit schlecht dargestellt werde und dass sie „viele zusätzliche Arbeiten verrichten“ müsse, die die eigentliche Ermittlungsarbeit verzögere – mit meinen Worten nacherzählt. Die WKStA führe besonders brisante Verfahren und stehe unter besonders strenger Aufsicht; die Hälfte ihrer Verfahren seien berichtspflichtig. Die OStA Wien habe zudem für bestimmte Causen eine zusätzliche Berichtspflicht verordnet, bestimmte Schritte müssen drei Tage im Vorhinein berichtet werden (bei bestimmten Hausdurchsuchungen etwa; Anm.). Das betrifft alle Staatsanwaltschaften im Sprengel der OStA Wien, also auch die WKStA*. Sonst gebe es das nirgendwo in Österreich, so Vrabl-Sanda. „Da herrscht ein gewisser Druck“, meint sie. Sie halte das für problematisch und habe sich daher an die Justizministerin gewendet. *Sorry, es betrifft nicht nur die WKStA, wie hier zunächst zu lesen war.*“
`Sie spricht von „Unwägbarkeiten, die von außen kommen“, von Schwierigkeiten, die keine technischen seien und hält fest, dass die WKStA-Staatsanwälte sowieso eine besonders hohe Schmerzschwelle haben. Die Nicht-Anerkennung von Seiten der Aufsichtsbehörden (Oberstaatsanwaltschaft Wien, Justizministerium) habe zuletzt dafür gesorgt, dass sich eine Staatsanwältin wegbeworben habe, sagt sie sinngemäß.`
`… Wie viele Mitarbeiter nur mit dem Komplex befasst sind? Fünf Oberstaatsanwälte, ein Teamleiter, eine Oberstaatsanwältin davon hat sich wegbeworben, eine ist bei der Generalprokuratur. Es gelte daher, zwei Juristen nachzubesetzen.`
`Stögmüller (Güne) kommt zu einem Treffen mit Justizministerin Zadic (Grüne) am 25. Mai heuer im BMJ (Justizministerium). Zum Anlass dafür sagt die WKStA-Chefin, dass sie den Eindruck hatte, es sei nicht mehr so leicht möglich für die WKStA so zu arbeiten, wie sie das tun müsse. Die Ministerin sei da die richtige Ansprechperson. Sie habe dort Akten vorgelegt. Der Vorwurf, dass Informationen aus der WKStA rausgingen sei „falsch“.`
„Schredderakt war Anlass für Disziplinierung Die WKStA-Leiterin erklärt gerade, dass sie die Dienstaufsichtsverfahren „gar nicht mehr verstehe“. Sie müssen dazu Stellung nehmen und auf die Vorwürfe darin eingehen, auch das sei sehr aufwändig, sagt sie sinngemäß. Bei der Sache mit den „Ausstellungen“ habe sie allein zwei Berichte an die OStA schreiben müssen, so etwas „ist nicht wurscht“. Der Anlass für die Ausstellungen sei ihr völlig absurd vorgekommen und sie seien dann ja auch zurückgenommen worden. Was war der Anlass? Dass die Staatsanwältin eine interne Nachricht ins Tagebuch zum Casinos-Akt (das Tagebuch ist intern, dazu gibt es keine Akteneinsicht) genommen hat, wonach der Schredder-Akt nach Ansicht der Oberstaatsanwalt nicht an den U-Ausschuss vorgelegt werden solle und es eine entsprechende Weisung geben werde. Nach Ansicht der OStA hat diese Mail nicht ins Tagebuch gehört und deswegen gab es diesen massiven Rüffel, also die „Ausstellung“. Sie wurde aber zurückgenommen.“
`Krainer (SPÖ) ist dran u fragt nach jener Staatsanwältin, die den Fall Ibiza federführend betreut hat u nun von der WKStA wegbeworben hat. DER STANDARD hat berichtet. Ihr Weggang habe eine Vorgeschichte,eines der mehreren Dienstaufsichtsverfahren sei eskaliert. Die Staatsanwältin – und sie, Vrabl-Sanda – habe eine „Ausstellung“ (eine Rüge quasi) von der Dienstaufsicht bekommen als Disziplinierungsmaßnahme. Diese Ausstellungen kommen in den Personalakt, man kann aber nichts dagegen tun. Inzwischen seien diese Ausstellungen wieder zurückgenommen worden.`
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