Vom Vertrauen in die Justiz: Man lese Alfred Noll!

Viel ist in Österreich in letzter Zeit von einer Vertrauenskrise der Justiz die Rede. Lösungen werden allerorts gesucht und angeboten, meist ist von Ressourcen, Planstellen und besserer Öffentlichkeitarbeit die Rede. All das geht wohl am Kern des Problems vorbei. Der Rechtswissenschaftler und Rechtsanwalt Alfred Noll legt in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitschrift Falter (Nr. 15/2012) die grundlegendste und treffendste Analyse zur Justiz seit langem vor. Unter dem Titel „Misstraut den Richtern!“ führt er überzeugend aus, dass Recht und Gesetz klassische Herrschaftsmittel sind, und dass daher kein Justizsystem unpolitisch sein kann. Eine vorgebliche Entpolitisierung führe in eine Sackgasse, wie Noll unter Berufung auf die Weimarer Justiz und die österreichische Justiz der Ersten Republik zeigt. Noll formuliert Sätze, die Studierenden der Rechtswissenschaften helfen können, sich ihr Fach zu erschließen: „Wer weiter an der unpolitischen Justiz festhält, reduziert den Staat auf sein autoritäres Wunschbild des allen gesellschaftlichen Impulsen entzogenen Apparats, der allein den immanenten bürokratischen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Deshalb ist die Entscheidung für eine unpolitische Justiz eine eminent politische Entscheidung von schwer übersehbarer Tragweite. … Diese Orientierung endet immer gleich: Ordnung vor Freiheit, Rechtsstaat vor Demokratie.“ 
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Die Stadt ohne Juden

Er ging mit Karl Kraus in die Schule, führte beruflich wie privat ein bewegtes Leben und hat der Nachwelt einen beachtlichen Roman hinterlassen: Hugo Bettauers Buch Die Stadt ohne Juden wurde nach seinem Erscheinen 1922 über eine Viertelmillion Mal verkauft. Bettauer gelang elf Jahre vor der Machtübernahme Hitlers in Deutschland ein prophetischer Blick in die Zukunft. Im Roman beschließt die österreichische Regierung ein Gesetz, demzufolge alle Juden das Land zu verlassen haben. Die Lektüre vermittelt, ähnlich wie Schnitzlers zehn Jahre zuvor erschienenes Drama Professor Bernhardi, einen Eindruck von der Verbreitung und Intensität des damals herrschenden Antisemitismus. Die Sprache des Romans ist zeitlos, die Schilderungen des politischen Betriebs könnten auch die Gegenwart beschreiben.
Hugos Bettauers Roman wurde bereits 1924 verfilmt. Der Erfolg seines Werks wurde für den Autor zum Todesurteil. Hugo Bettauer wurde 1925 von einem Nationalsozialisten ermordet. Nach seinem Tod allzu rasch in Vergessenheit geraten ist der Autor Bettauer eine Wiederentdeckung wert.
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Antonio Tabucchi 1943-2012

Fernando Pessoa (1888-1935) gilt als der größte Dichter Portugals. Sein Buch der Unruhe weist den Dichter außerdem als großen Philosophen aus. Pessoa war mit der Stadt Lissabon verwoben. Heute wird er in Lissabon auf eine Weise verehrt, wie das wohl nur in romanischen Ländern möglich ist. In Stein gemeisselt sitzt der Dichter unter den Gästen im Garten des legendären Café Brasileira. Pessoas letztes Wohnhaus, nun Casa Fernando Pessoa benannt, wurde in ein Museum umgewandelt, liebevoll ausgestaltet in jedem Detail. Das Haus steht kostenlos zur Besichtigung offen und ist häufig Ort von Veranstaltungen.

Antonio Tabucchi, Autor und Universitätslehrer, hat sich von Jugend an intensiv mit Pessoa auseinandergesetzt und den portugiesischen Dichter in Italien bekannt gemacht. In der Nähe Pisas geboren, lebte Tabucchi die letzten beiden Jahrzehnte überwiegend in Portugal. Sein bekanntestes Werk, Erklärt Pereira, wurde 1995 mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle verfilmt. Tabucchi war kritischer Intellektueller und überzeugter Europäer. „Die Menschen können sich nicht aussuchen, wo sie geboren werden, aber wo sie leben und sterben schon“. Antonio Tabucchi starb gestern nach langer Krankheit in Lissabon. 

Links: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,823618,00.html
http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-03/antonio-tabucchi-nachruf
http://www.zeit.de/2011/47/Italien-Tabucchi
http://diepresse.com/home/kultur/literatur/743350/Italienischer-Schriftsteller-Antonio-Tabucchi-ist-tot?from=gl.home.allgemein_kultur

Antonio Tabucchi neben einem Bildnis Pessoas
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Café Raimann

Das Café Raimann in der Schönbrunner Strasse 285 in Meidling spielt bei den Top 10 der Wiener Kaffeehäuser locker mit. Nach einem Besitzerwechsel vor einigen Jahren behutsam renoviert, findet man dort alles, was ein Wiener Kaffeehaus heute ausmacht: gute Küche, Frühstückskarte, breites Zeitungsangebot, WLAN und Fernsehraum. Entsprechend gut besucht ist das Café vom Vormittag bis in den späten Abend.

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Friedrich Zawrel im Schuberttheater

Das Schicksal des Friedrich Zawrel ist ein außergewöhnliches, in jeder Hinsicht. Als Kind wurde Friedrich Zawrel vom NS-Arzt Heinrich Gross am Spiegelgrund in Wien gefoltert. Jahrzehnte später kreuzen sich die Wege von Friedrich Zawrel und Heinrich Gross neuerlich; und wieder greift Gross in bösartiger Weise in das Leben Zawrels ein. 

Friedrich Zawrel hat sich aufgelehnt und letztlich den vielbeschäftigten Psychiater Gross zu Fall gebracht und als Verbrecher entlarvt. Friedrich Zawrel lebt heute in Wien-Meidling. Er ist zum gefragten Zeitzeugen geworden und Träger des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien. Wer Zawrel jemals bei einem seiner Vorträge zugehört hat, wird das niemals vergessen können. Seine Erinnerungen sind Grundlage für zahlreiche
Publikationen, Dokumentationen und Filme gworden.

Kommende Woche hat nun das Figurentheaterstück „F.Zawrel – Erbbiologisch und sozial
minderwertig” im Wiener Schuberttheater Premiere. Puppenspieler Nikolaus Habjan
und Regisseur Simon Meusburger haben zahlreiche Gespräche mit Friedrich Zawrel geführt, die als Grundlage für das Stück dienten.

Foto: Schuberttheater

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